Essen. Balkonkraftwerke boomen, doch nur wenige Besitzer melden die Solaranlagen wie vorgeschrieben an. Welche Folgen drohen und was sich 2024 ändert.
- Balkonkraftwerke sind leicht zu installieren und werden immer beliebter. Ihre genaue Zahl ist unbekannt
- Die Bundesregierung will im Solarpaket 1 bürokratische Hürden abbauen und die Anmeldung erleichtern
- Welche neuen Regeln gelten ab 2024? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Stecker-Solargeräten
Mini-Solaranlagen für Balkone, Hausfassaden oder Dächer von Carports und Garagen werden immer beliebter. Insbesondere in den NRW-Städten boomt die „Photovoltaik für den kleinen Mann“, die in Discountern und Baumärkten als Massenware verkauft wird. Doch Netzbetreiber erfüllt das mit Sorge: Der Großteil der Verbraucher ignoriert die Vorschriften, die Balkonkraftwerke anzumelden. Das hat Folgen.
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin hat auf Basis einer Befragung hochgerechnet, dass nur 37 Prozent der Besitzer ihre Anlage gemäß Vorschriften vollständig angemeldet haben. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass gerade einmal zehn Prozent der Geräte registriert sind. Gehen Solaranlagen, auch die kleinen Balkonkraftwerke, ans Stromnetz, muss das Netzbetreibern und auch der Bundesnetzagentur gemeldet werden. Viele Besitzer kritisieren, dass die Anmeldeprozedur zu kompliziert sei.
Solarexperten: Riesige Dunkelziffer bei Balkonkraftwerken
Aus diesem Grund können Experten nur schätzen, wie viele Stecker-Solargeräte in Betrieb sind. Die Bundesnetzagentur geht von aktuell rund 288.000 Mini-Solaranlagen in Deutschland aus. Die Forscher der HTW hingegen vermuteten bereits 2022, dass über 400.000 Balkonkraftwerke in Betrieb seien. In NRW soll laut Experten etwa ein Viertel aller Stecker-Solargeräte Deutschlands installiert sein. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) schätzt, dass in NRW allein im ersten Halbjahr 2023 rund 30.000 neue Balkonkraftwerke ans Netz gingen.
In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie eine Mini-Solaranlage anmelden und welche Strafen Ihnen theoretisch drohen, wenn Sie die Vorschriften ignorieren. Wir erklären zudem, welche neue Vorschriften im kommenden Jahr in Kraft treten.
Mit einem Klick auf die folgenden Themen springen Sie an die Stelle im Text:
Was unterscheidet Balkonkraftwerke von großen Solaranlagen?
Wie müssen Balkonkraftwerke angemeldet werden?
Was droht, wenn die Anlage nicht angemeldet wird?
Was ändert sich 2024 bei der Anmeldung?
Was gilt ab 2024 für alte Stromzähler?
Welche Leistung dürfen Balkonkraftwerke künftig haben?
Mit welchem Stecker dürfen Mini-Solaranlagen ans Netz?
Was unterscheidet Balkonkraftwerke von großen Solaranlagen?
Stecker-Solargeräte für Balkone, Fassaden oder Terrassen können mit einem Wechselrichter über einen Stecker direkt an das häusliche Stromnetz angeschlossen werden. Je nach Lage können die Besitzer für relativ kleines Geld etwa zehn Prozent des Stroms im Haushalt selbst erzeugen und so die Stromrechnung senken. In Zeiten massiv gestiegener Energiepreise machen sich die einfach zu installierenden Stecker-Solargeräte schnell bezahlt. Anlagen mit Standard-Modulen kosten im Schnitt zwischen 350 und 600 Euro. In einigen Kommunen werden Kauf und Installation gefördert. Eine Übersicht über Förderungen in NRW-Städten führt die Initiative Solarmetropole Ruhr.
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Wie müssen Balkonkraftwerke angemeldet werden?
Die erzeugten Strommengen von Mini-Solaranlagen werden in der Regel direkt von den ständig laufenden Haushaltsgeräten verbraucht. Dennoch könnten Balkonkraftwerke potenziell Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Daher wollen die verantwortlichen Stellen informiert sein. Wer ein Stecker-Solargerät in Betrieb nimmt, muss nach geltenden Bestimmungen zwei Anmeldungen vornehmen:
- Registrierung bei der Bundesnetzagentur. Dazu muss sich der Anlagenbetreiber im Marktstammdatenregister der Behörde eintragen. Benötigt werden technische Daten, etwa die Leistung des Wechselrichters und der Solarmodule (beides in der Bedienungsanleitung) oder geografische Daten der Anlage. Die Bundesnetzagentur stellt eine Ausfüllhilfe und ein Video-Tutorial zur Verfügung. Die Anmeldung ist kostenlos.
- Anmeldung beim Netzbetreiber. Der zuständige Netzbetreiber ist in der Regel das örtliche Stadtwerk oder ein Energieversorger. Erfragen lässt sich das durch einen Anruf beim Stromlieferanten, dessen Kontaktdaten auf der Stromrechnung stehen. Auch für dieses Anmeldeformular werden technische Daten sowie die Nummer des Stromzählers und das geplante Inbetriebnahme-Datum benötigt. Hinweis: Ab 2024 soll die Anmeldung beim Netzbetreiber entfallen.
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Was droht, wenn die Anlage nicht angemeldet wird?
Wird ein Balkonkraftwerk nicht im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur registriert, gilt das als Ordnungswidrigkeit. Theoretisch sieht Paragraf 95 des Energiewirtschaftsgesetzes ein Bußgeld vor, das von wenigen Euro bis zu maximal 50.000 Euro reichen kann. Experten zufolge ist jedoch kein Fall bekannt, bei dem ein Bußgeld wegen fehlender Anmeldung eingefordert wurde.
- Lesen Sie auch: Stromschutz fehlt – Tausende Balkonkraftwerke müssen vom Netz
Möglich sind Strafzahlungen an den Netzbetreiber, wenn die Anlagen nicht der Norm entsprechen. Dazu gehört etwa, wenn ein nicht konformer Stromzähler oder Wechselrichter verwendet wird. Die Strafzahlungen betragen bis zu zehn Euro monatlich pro Kilowatt installierter Leistung. Damit ist nicht die Leistung des Wechselrichters, sondern des Solarmoduls gemeint. Beispiel: Kann das Solarmodul 400 Watt (0,4 Kilowatt) leisten, würde die monatliche Strafzahlung vier Euro betragen, also 48 Euro im Jahr. Eine kleine Summe, die allerdings die Anlage unrentabel machen kann.
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Was ändert sich 2024 bei der Anmeldung?
Das Bundeskabinett hat das Solarpaket 1 verabschiedet. Es sieht einen Abbau von Bürokratie vor und soll insbesondere den Betrieb von Balkonkraftwerken vereinfachen. Demnach müssen Stecker-Solargeräte ab dem 1. Januar 2024 nur noch im Marktstammdatenregister eingetragen werden. Die verpflichtende Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt.
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Was gilt ab 2024 für alte Stromzähler?
Rückwärtslaufende Stromzähler waren in Deutschland bislang verboten. Wer noch einen alten analogen Zähler ohne Rücklaufsperre (Ferraris-Zähler) hatte, musste ihn durch ein modernes Gerät ersetzen. Verhindert werden sollte, dass sich der Zähler rückwärts dreht, wenn die Solaranlage mehr Strom einspeist, als gerade im Haushalt verbraucht wird. So würden der Stromverbrauch wie auch die zu zahlenden Steuern und Abgaben fehlerhaft erfasst, lautete die Begründung der Netzbetreiber. Für die Verbraucher aber führte das dazu, dass sie den nicht genutzten Sonnenstrom verschenkten.
Wer ab 2024 ein Balkonkraftwerk in Betrieb nimmt, muss nicht mehr abwarten, bis der Netzbetreiber einen modernen Zähler einsetzt. Die Messstellenbetreiber haben künftig für den Austausch vier Monate Zeit. Bis dahin darf sich der Zähler auch rückwärts drehen. Betreiber eines Balkonkraftwerks sparen dann für jede eingespeiste Kilowattstunde den üblichen Strompreis ein.
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Welche Leistung dürfen Balkonkraftwerke künftig haben?
Aktuell sind in Deutschland Stecker-Solargeräte mit einer Leistung von maximal 600 Watt erlaubt. Gemeint ist dabei grundsätzlich die Leistung des Wechselrichters, der die eingespeiste Strommenge der Anlage beschränkt. Ab 2024 dürfen Balkonkraftwerke eine Leistung von 800 Watt haben, wie es in vielen anderen EU-Ländern bereits üblich ist.
Die Solarmodule können höhere Leistungen aufweisen und somit bei geringerer Sonneneinstrahlung eine höhere Einspeiseleistung erzielen. Ein Balkonkraftwerk darf also mit mehreren Solarmodulen betrieben werden – sofern der Wechselrichter nicht mehr als 600 Watt (ab 2024: 800 Watt) Leistung hat. Pro Stromnetz der Wohnung ist jedoch nur ein Balkonkraftwerk erlaubt. Die Gesamtleistung der Solarmodule darf ab 2024 maximal 2000 Watt betragen.
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Mit welchem Stecker dürfen Mini-Solaranlagen ans Netz?
Über die „Steckerfrage“ wurde lange gestritten: Darf ein Balkonkraftwerk mit einem haushaltsüblichen Schuko-Stecker angeschlossen werden? Der Verband der Deutschen Elektrotechnik (VDE) hatte das bis Anfang 2023 kritisch gesehen, nun aber grünes Licht gegeben. Hintergrund sind sicherheitstechnische Bedenken: Am Stecker eines Balkonkraftwerks herrscht hohe Spannung, die Kontakte eines Schukosteckers aber liegen frei. Der VDE empfiehlt in seiner Norm einen sogenannten Wieland-Stecker, der deutlich teurer ist und dessen Einspeisesteckdose von einer Elektro-Fachkraft installiert werden muss.
Das Betreiben einer Mini-Solaranlage mit einem Schuko-Stecker ist aktuell nicht grundsätzlich verboten. Manche Netzbetreiber sowie Förderrichtlinien schreiben jedoch einen Wieland-Stecker vor. Laut Bundeswirtschaftsministerium sollen die Vorgaben künftig vereinheitlicht werden und ein Schukostecker erlaubt sein. Die „Steckerfrage“ werde jedoch nicht im Solarpaket 1, sondern in einer überarbeiteten VDE-Norm geregelt werden.
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Serie: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Photovoltaik
Sie interessieren sich für eine Solaranlage? Unsere Photovoltaik-Serie klärt über alle wichtigen Fragen auf. Lesen Sie hier alle Folgen:
- Teil 1: Photovoltaik auf dem Dach: Was Einsteiger wissen müssen
- Teil 2: Die ersten Schritte zur eigenen Solaranlage
- Teil 3: So finden Sie den richtigen Handwerksbetrieb
- Teil 4: Das Wichtigste über Solarmodule und Technik
- Teil 5: Kosten, Erträge, Renditen: Wann Solaranlagen Geld verdienen
- Teil 6: Photovoltaik-Anlagen: Wo es in NRW noch Fördergelder gibt
- Teil 7: Neue Regeln für 2023: Die wichtigsten Steuertipps
- Teil 8: Mieten statt kaufen – lohnt sich das?
- Teil 9: Wartung, Pflege, Pflichten: So laufen PV-Anlagen 20 Jahre
- Teil 10: Solarboom in NRW: Alles über Balkonkraftwerke
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