Berlin. Ein Urteil zur "Impfpflicht" bei der Bundeswehr sorgt in Justizkreisen für Aufsehen - wegen der argumentativen Nähe zu den Querdenkern.
Bei der Bundeswehr müssen sich Soldatinnen und Soldaten seit bald einem Jahr gegen Corona impfen lassen. Wer dagegen verstößt, muss mit Strafen rechnen.
Nun setzte ein Truppendienstgericht in Erfurt eine Disziplinarbuße aus. Die Entscheidung von Ende September irritiert Juristen. Die Begründung liest sich wie eine Anleihe aus der Querdenker-Szene: Das Vakzin habe eine eingeschränkte Wirkung, ihr Ausgang sei unkalkulierbar. Das Online-Portal "Legal Tribune Online" spricht von einem "Querdenker-Richter".
Bundeswehr: Nur bedingt impfbereit?
Im April 2021 hatte ein Richter des Amtsgerichts Weimar ebenfalls eine extreme Auffassung zu den Corona-Regeln eingenommen. Ihm wird inzwischen Rechtsbeugung vorgeworfen.
Mit der befehlenden Kompaniechefin geht der Erfurter Richter hart ins Gericht. Als Vorgesetzte habe sie unabhängig von ministeriellen Weisungen die "sich objektiv aufdrängende Gefahrenaspekte dieser Impfung sowie deren fehlende Wirksamkeit zur Kenntnis" zu nehmen und müsse selbständig einordnen, ob eine Dienstpflicht unzumutbar oder verhältnismäßig sei.
Bundeswehr: Urteil pro Impfskeptiker in der Truppe
Das ist eine Argumentation, die in Fällen plausibel erscheint, in denen Zweck und Wirkung außer Verhältnis stehen, Befehle fahrlässig erteilt werden. Genau der Vorwurf ist im Raum, wenn der Richter über die Kompaniechefin behauptet, sie habe es sich aus Karrieregründen "bequem" gemacht. Gefragt sei "Zivilcourage", nicht "blindes Folgen".
Auch der Erfurter Richter ist unabhängig. Die Entscheidung seines Truppendienstgerichts ist unanfechtbar.
Dabei hatte das Bundesverwaltungsgericht erst im Juli die Klagen zweier Offiziere zurückgewiesen und klargestellt, dass die so genannte Duldungspflicht, wie die Impfpflicht bei den Militärs heißt, rechtmäßig sei.
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Bundeswehr: Soldaten müssen Corona-Impfung "dulden"
Für Bundeswehr und Verteidigungsministerium war der Spruch damals kein Freibrief. Sie wurden von den Bundesrichtern verpflichtet, die Notwendigkeit der Impfung zu überwachen und zu bewerten. Während ein Vakzin gegen die im vergangenen Jahr grassierende Delta-Variante erwiesenermaßen schützt, kann sich das bei anderen Varianten anders darstellen.
Seit November 2021 müssen Soldatinnen und Soldaten eine Impfung gegen das Coronavirus dulden. Schon vorher waren für sie zahlreiche Impfungen verpflichtend, zum Beispiel ein Vakzin gegen Influenza.
Das Gesetz geht vom Grundsatz aus, dass jeder Soldat zu seiner Einsatzfähigkeit und letztlich zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beitragen muss. Auch mit einer Impfung. Zumal Militärs sich in engen Räumen (in den Kasernen) aufhalten und üben (im Panzer etwa) und so besonders Gefahr laufen, ansteckende Krankheiten zu übertragen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.
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