Berlin. Nach Drosten-Interview: Justizminister Marco Buschmann fordert das Ende aller Corona-Maßnahmen. Die SPD-Chefin fordert Rücksichtnahme.
Nachdem der Virologe das Ende der Corona-Pandemie verkündigt hat, wird über das weitere Vorgehen in Bezug auf Schutzmaßnahmen diskutiert. Bundesjustizminister Marco Buschmann plädiert für ein Auslaufen aller Schutzmaßnahmen. Frank Ulrich Montgomery, der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, warnt vor Sorglosigkeit.
"Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern", schrieb der FDP-Politiker am Montag auf Twitter. "Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden", forderte Buschmann.
Drosten hatte dem "Tagesspiegel" gesagt, dass Deutschland in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2 erlebe. "Nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei", sagt er. Die Auffassung, dass der pandemische Zustand überwunden ist, teilen inzwischen mehrere Experten in Deutschland.
Frank Ulrich Montgomery: "Nicht alle Vorsicht fahren lassen"
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat hingegen vor Sorglosigkeit im Umgang mit Corona gewarnt. "Wir können uns Erleichterungen leisten", sagte er unserer Redaktion. "Dabei sollten wir aber nicht alle Vorsicht fahren lassen." Es gehöre zu guter Prävention, weiterhin sich und andere zu schützen.
Das Coronavirus werde nie mehr verschwinden, betonte Montgomery. "Bleiben wir also auf der Hut, aber entspannen wir uns auch im aktuellen Umgang mit dem Coronavirus. Vor allem aber sollten wir aufhören, Infektionsschutzmaßnahmen zum Gegenstand ideologischer Diskussionen zu machen." Gefragt seien Vorsorge, Rationalität und Verantwortungsbewusstsein.
Coronavirus – Die wichtigsten News
- Virologe: Christian Drosten hält Corona-Pandemie für beendet
- Corona in China: Jeder fünfte positiv
- Omikron-Sublinie: BQ.1.1 – neue "Höllenhund"-Symptome
- Wo sinken die Zahlen? Alle Corona-Zahlen in Deutschland, Europa und der Welt auf einer interaktiven Karte
Montgomery führte aus, welche Maßnahmen er weiterhin für nötig hält: "Schutz von Menschen, die durch andere Krankheiten selbst nicht genügend Abwehr aufbauen können; Maskentragen – dort wo es nötig ist; Abstand dort, wo es möglich ist. Wer krank ist, bleibt zu Hause – statt andere anzustecken. Und natürlich müssen wir die Immunkompetenz der Menschen aufrechterhalten. Und das heißt: Impfen, Impfen, Impfen."
SPD-Chefin mahnt zur gegenseitigen Rücksicht
Zustimmung kommt aus den Reihen der Sozialdemokraten. SPD-Chefin Saskia Esken warnte im Gespräch mit unserer Redaktion vor einer vorschnellen Aufhebung der verbliebenen Corona-Schutzmaßnahmen. "Wenn wir über den Winter weiterhin rücksichtsvoll miteinander umgehen, werden wir die Corona-Pandemie bald überwunden haben", sagte sie.
"Aktuell sind die Infektionszahlen noch erheblich, das ist vor allem angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels ein Problem." Vor Weihnachten sei der Betrieb von Schulen und Kitas wegen der vielen Krankheitsfälle stark eingeschränkt gewesen.
Esken erinnerte daran, dass die gesundheitlichen Folgen einer Corona-Infektion für viele immer noch erheblich seien. Nicht wenige litten an Spätfolgen.
Grünen-Politiker: Gesundheitswesen entlasten
Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen äußerte sich ebenfalls vorsichtiger zu der Abschaffung von Schutzmaßnahmen. Gegenüber dem "Tagesspiegel" sprach er zwar ebenfalls von dem vermehrten Rückgang der Fälle von Coronavirus, plädierte aber für Schutzmaßnahmen bis zum Frühjahr um das Gesundheitswesen zu entlasten.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch teilte auf Twitter einen Bericht zu dem Interview mit Drosten und überschrieb dies mit "Weihnachtsbotschaft vom Papst".
Landkreise drängen auf Lockerung der Maßnahmen
Auch die Landkreise dringen auf eine weitere Lockerung der Corona-Maßnahmen. "Wir freuen uns, dass wir nach knapp drei anstrengenden Jahren auch von führenden Virologen die Bestätigung erhalten, dass die Corona-Pandemie durchgestanden ist", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, unserer Redaktion. "Deshalb können jetzt weitere zielgerichtete Entscheidungen zur Aufhebung von Einschränkungen vorgenommen werden."
Als Beispiel nannte er die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, die in einige Bundesländer schon aufgehoben wurde. "Das verpflichtende Maskentragen in der Bahn ist immer schwerer vermittelbar, obwohl es natürlich auch unabhängig von Corona einen Beitrag zur Reduzierung von Virusinfektionen leistet", sagte er.
Sager rief den Bund dazu auf, "dringend die Notwendigkeit seiner noch bestehenden Maßnahmen" zu überprüfen. (rs/fmg/dpa)
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Panorama