Berlin Wer einen Flug bucht, zahlt ihn meist im Voraus. Noch. Denn die Regierung Niedersachsens hat nun eine Reise-Revolution angestoßen.
Flugreisende hatten es in den vergangenen Wochen oft nicht leicht: Weil an vielen deutschen Flughäfen Personal fehlt, kam es vielfach zu Verspätungen und Flugausfällen. Die Lufthansa strich sogar Tausende Flüge. Teilweise fiel der Urlaub deshalb ganz ins Wasser. Wer deswegen sein Geld zurück möchte, muss darauf meist lange warten. Doch das könnte sich bald ändern. Die Regierung von Niedersachsen hat vorgeschlagen, das Vorkasse-System bei Flügen abzuschaffen. Der Gedanke dahinter: Eine Zahlung ist erst fällig, wenn der Flug bereits kurz bevorsteht und wahrscheinlich auch stattfindet.
"Künftig müsste dann das Ticket erst beim Check-in bezahlt werden. Damit wollen wir den Verbraucherschutz für die Reisenden deutlich verbessern", sagte Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) dem "Handelsblatt". Eine entsprechende Gesetzesinitiative will die Landesregierung im Bundesrat einbringen.
Mehr zum Flughafen-Chaos in Deutschland
- Urlaub: Das müssen Reisende zum Flughafen-Chaos wissen
- Keine Entwarnung: Situation an Flughäfen soll erst ab Herbst besser werden
- Hilfe im Ernstfall: Koffer am Flughafen verschwunden – Das sollten Reisende tun
- Fluggastrechte: Wer zahlt, wenn der Flug storniert wird?
Verbraucherzentralen fordern Ende des Vorkasse-Prinzips bei Flügen
Bereits zuvor hatte sich Ramona Pop, Leiterin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" für ein Ende des Vorkasse-Prinzips ausgesprochen. Aktuell würden Reisende den Airlines faktisch zinslose Kredite geben – und das in einer Zeit, in der Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Geld selbst dringend benötigten, so Pop. "Deswegen muss das Prinzip der Vorkasse abgeschafft werden." Der Sommer habe gezeigt, dass die Luftfahrtbranche keinen Vertrauensvorschuss verdient habe. Lesen Sie auch:
Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt auch die Zahl der Beschwerden, die aktuell bei der Schlichtungsstelle für den Personenverkehr (SÖP) eingehen. Laut "Handelsblatt" seien es allein zwischen 1. Juli und 15 August 2022 über 3000 gewesen – 127,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 80 Prozent davon würden den Flugverkehr betreffen, etwa 15 Prozent entfielen auf die Bahn.
Änderung bei Flug-Zahlung: Unterstützung aus der Bundespolitik
Unterstützung für die Pläne aus Niedersachsen gibt es von den Bundestagsfraktionen von SPD und CSU. "Eine Aufweichung des Prinzips der Vorkasse ist denkbar und angesichts zunehmender Beschwerden ein ernsthaft zu überlegender Schritt" sagte etwa Volker Ullrich dem Handelsblatt. Der CSU-Verbraucherpolitiker betonte jedoch auch, dass eine automatische Entschädigung der Reisenden im Falle von Flugausfällen aus seiner Sicht ebenso wirkungsvoll sei.
Kritische Töne kamen dagegen von CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß. Er sieht in dem Vorstoß zwar eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Gleichzeitig müsse man aber auch dafür sorgen, dass Deutschland für Airlines und Flughäfen wettbewerbsfähig bleibe und auf dem globalen Reisemarkt nicht an Attraktivität verliere.
Bis es tatsächlich zu einer Änderung bei Flug-Zahlungen kommen könnte, dürfte noch einige Zeit vergehen. Zwar will die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen ihre Initiative bereits am Dienstag im Kabinett beschließen. Die nächste Sitzung des Bundesrates, bei der sie dann auf die Tagesordnung gebracht werden soll, findet allerdings erst am 16. September statt. Zudem ist bisher nicht klar, ob Niedersachsen für seine Pläne Unterstützung von den anderen Bundesländern bekommt. (nfz/mit dpa)
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Panorama