Kriegshilfe

Ukraine-Gipfel: Das ernüchternde Ergebnis von Ramstein

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Pistorius: Priorität für Ukraine ist Luftverteidigung

Pistorius: Priorität für Ukraine ist Luftverteidigung

Deutschland wird der Ukraine weitere Waffen zur Stärkung ihrer Luftabwehr liefern, darunter weitere Gepard-Panzer, eine Feuereinheit des Patriot-Abwehrsystems und ein weiteres Iris-T-System. "Priorität Nummer eins ist Luftverteidigung, Luftverteidigung, Luftverteidigung", sagte Pistorius in Ramstein.

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Berlin/Ramstein.  Deutschland will vorerst keine Leopard-Panzer an die Ukraine liefern, so das Ergebnis des Gipfels in Ramstein. Was ist der Grund dafür?

Kurz bevor Boris Pistorius nahe der Flugfelder von Ramstein vor die Mikrofone tritt, meldet Russlands Regierung einen Erfolg: Es geht um die Ortschaft Klischtschijiwka. Ein Dorf, nur ein paar Straßen, Häuser, eine Kirche. Das Örtchen liegt im Süden der Stadt Bachmut. Eine der entscheidenden Schlachten in diesem Monat führt die Ukraine mit Russland derzeit genau dort. Moskaus Militärführung behauptet nun, „Sturmtruppen“ hätten mit Hilfe der Luftwaffe den Ort „befreit“.

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Die Angaben lassen sich bisher nicht unabhängig überprüfen. Doch stimmt die Nachricht, ist Russlands Armee einen Schritt näher an der Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Bachmut. Von dort aus könnte Russland die Offensive im Donbass steuern, die Ukraine massiv schwächen.

Militärisch unter Druck: Die Ukraine braucht mehr Waffen

Klischtschijiwka ist in Deutschland eine Randnotiz an diesem Freitag. Doch sie ist ein Indiz, wie sehr die Ukraine militärisch unter Druck steht. Wie sehr sie Waffen und Munition aus dem Westen benötigt. Wie eng es im Frühjahr für das Land werden kann. Die Blicke Deutschlands und der Welt gehen an diesem Freitag aber woanders hin, nach Ramstein, in die Westpfalz. Zu Boris Pistorius. Lesen Sie auch: Deswegen möchte die Ukraine den Leopard-Panzer unbedingt haben

Der neue Verteidigungsminister redet nach dem Gipfel der 50 Ukraine-Verbündeten auf der US-Militärbasis schon einige Minuten vor den Kameras über die Unterstützung der Ukraine, die Deutschland weiter leisten werde. Über die „dramatische Lage“ in dem Land angesichts der fortdauernden russischen Bombardements.

Verteidigungsminister Pistorius: Kein "einheitliches Meinungsbild" zu Panzer-Lieferung

Dann aber kommt Pistorius auf das Thema, auf das alle gewartet haben: Deutschland liefert derzeit keine Kampfpanzer vom Typ Leopard 2. Deutschland erteilt auch keine Genehmigung an andere Nato-Staaten, die einen Teil ihrer Leopard-Bestände an die Ukraine ausliefern wollen, aber dafür die vertraglich festgelegte Erlaubnis vom Herstellerland Deutschland benötigen. Bedeutet: Keine Kampfpanzer für die Ukraine. Vorerst, jedenfalls.

SPD-Politiker Pistorius sagt, dass es für die Lieferung der Panzer „kein einheitliches Meinungsbild“ bei dem Treffen gegeben habe. „Der Eindruck, der gelegentlich entstanden ist, es gebe eine geschlossene Koalition und Deutschland stehe im Weg, dieser Eindruck ist falsch“, sagt Pistorius. Hinter den Kulissen ringen die Regierungsvertreterinnen und Vertreter offenbar länger um die Frage der Panzer-Lieferungen – und kommen doch nicht zu einem Ergebnis. Auch die USA schicken weiterhin keine eigenen Kampfpanzer. Lesen Sie auch den Kommentar: Keine Panzer für die Ukraine – Deutschlands Spiel auf Zeit

Die Linie von Bundeskanzler Olaf Scholz ist: Deutschland liefert nur Kampfpanzer, wenn das Nato-Bündnis geschlossen ist. Und vor allem auch die USA mitziehen. Gleiches gilt offenbar auch für die Exportgenehmigung an Länder wie Polen, Finnland oder Spanien. Scholz fährt einen vorsichtigen Kurs – das prägt seine Politik seit Beginn des Ukraine-Kriegs.

Kritik an Bundeskanzler Scholz: "Deutschland darf anderen Ländern nicht im Weg stehen"

Der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber kritisiert im Gespräch mit unserer Redaktion die Haltung der Bundesregierung. „Deutschland darf anderen Ländern bei der Hilfe für die Ukraine nicht im Wege stehen. Das Mindeste ist, dass die Bundesregierung jetzt den Partnerstaaten die Exportgenehmigungen für Leopard-Panzer erteilt.“ Ähnlich hatten sich andere ranghohe Politikerinnen und Politiker von Grünen und FDP geäußert. In der Ampel-Koalition gibt es keine Einigkeit darüber, mit welchen Waffen und wie schnell die Ukraine unterstützt werden soll.

Was SPD-Minister Pistorius ankündigt, ist die Prüfung des Bestandes an Panzer vom Typ Leopard, sowohl in der Bundeswehr als auch in der Rüstungsindustrie. Für den „Fall der Fälle“, falls Deutschland doch Panzer an die Ukraine schicke. Die politische Entscheidung werde „so bald wie möglich getroffen“, sagt Pistorius. Details nennt er nicht.

Pistorius lässt prüfen – doch die Leopard-Bestände der Bundeswehr sind klar

Was die Bundeswehr an Leopard-Beständen hat, ist jedoch recht klar. Das Verteidigungsministerium teilte auf Nachfrage unserer Redaktion mit, die Truppe verfüge über rund 320 Leopard-2-Panzer. Nicht alle sind einsatzbereit. Laut Medienberichten sind nur etwa 130 Fahrzeuge kampffähig. Und auch nicht alle davon kann die Bundeswehr ausliefern. Am Ende blieben nur ein gutes Dutzend Kampfpanzer, die aktuell in Richtung Ukraine gehen könnten.

Auch die Lager der Rüstungsindustrie sind weitestgehend leer. Hersteller wie Krauss-Maffei Wegmann könne aktuell keine Leopard 2 liefern. Rheinmetall hat nach eigenen Angaben noch 22 Panzer vom Typ 2 und knapp 90 vom Typ 1. Doch bevor diese an die Front in der Ukraine gehen könnten, müssten sie erst Instand gesetzt werden. Das dauert Monate. Lesen Sie auch: Ukraine-Krieg – So viele Waffen liefert Deutschland

Militärexperten erwarten neue russische Offensive in der Ukraine

Militärexperten und Nachrichtendienste erwarten schon in den ersten Frühjahrswochen eine erneute Offensive der russischen Armee in der Ukraine. Eine weitere Mobilisierung von Rekruten könnte bald starten. Zugleich reichen russischen Vorräte an Waffen und Munition noch für Monate des Krieges.

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Bei der ukrainischen Armee aber nehmen die Lager an Munition und Kriegsgerät dramatisch ab. Vor dem Gipfel in Ramstein hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj an den Westen appelliert. „Die Zeit ist kritisch“, sagte er. Russland ziehe seine Kräfte, seine letzten Kräfte zusammen. „Wir müssen schneller werden.“ Und an Deutschland gerichtet: Die Bundesregierung möge endlich Kampfpanzer liefern.

Der Westen will die Ukraine für die Kämpfe der kommenden Monate rüsten – aber manche Staaten offensichtlich stärker und schneller als andere.

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USA stocken Waffenlieferungen an die Ukraine auf

Die USA stocken ihre Waffenlieferungen auf. Ein neues Paket im Wert von 2,5 Milliarden Dollar umfasst weitere 59 Panzer vom Typ Bradley, 90 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Stryker, Luftabwehrsysteme vom Typ Avenger sowie tausende Schuss Munition. Damit haben die USA die Ukraine seit Beginn Russlands Angriff im vergangenen Februar mit Kriegsgerät im Wert von mehr als 26,7 Milliarden Dollar unterstützt.

Auch Finnland schickt schwere Artillerie und Munition. Schweden das Artilleriesystem Archer, 50 Schützenpanzer und Panzerabwehrwaffen. Großbritannien sagte zuletzt 600 weitere Raketen vom Typ Brimstone zu. Aus Estland kommen Panzerabwehrwaffen, Haubitzen aus Dänemark.

„Die ukrainische Bevölkerung schaut auf uns. Der Kreml schaut auf uns. Und die Geschichte schaut auf uns. Also werden wir nicht nachlassen“, sagt der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Ramstein. „Dies ist ein entscheidender Moment.“

Mehr Waffen für die Ukraine: Auch Deutschland verstärkt seine Hilfe

Auch Deutschland steigert die Hilfe für die Ukraine in den kommenden Monaten. Waffen und Ausrüstung im Wert von insgesamt 3,3 Milliarden Euro habe Deutschland dann seit Kriegsbeginn in Richtung Kiew verschickt, hebt Verteidigungsminister Pistorius bei der Pressekonferenz in Ramstein hervor. Das „Frühjahrspaket“ beinhalte Lieferungen von sieben Flugabwehrpanzern vom Typ Gepard, dazu Raketenabwehrsystem wie Iris-T, eine Einheit vom Typ Patriot. Pistorius zählt die Waffensysteme auf, nennt Stückzahlen. Neu sind die Angaben nicht, sie stehen seit einiger Zeit auf der Internetseite der Bundesregierung.

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