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Nach Benedikts Tod: Papstsekretär Gänswein packt in Buch aus

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Benedikt XVI. in Krypta unter dem Petersdom beigesetzt

Benedikt XVI. in Krypta unter dem Petersdom beigesetzt

Der verstorbene frühere Papst Benedikt XVI. ist in der Krypta des Petersdoms im Vatikan beigestezt worden. Zehntausende Menschen hatten zuvor bei einer Trauerfeier auf dem Petersplatz von dem früheren Oberhaupt der katholischen Kirche Abschied genommen.

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Berlin.  Erzbischof Gänswein war ein enger Vertrauter des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. Nun teilt er in Richtung Papst Franziskus aus.

Zehn Jahre lebten im Vatikan zwei Päpste. Nach dem Tod von Benedikt XVI. kehrt der Kirchenstaat zur Normalität zurück, Franziskus ist wieder der einzige Pontifex. Insider befürchten jedoch, dass nach der Beerdigung Benedikts – eine Ikone der Traditionalisten – neue Spannungen in der Kurie entstehen könnten.

Neuer Fahnenträger der Konservativen ist Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein, der zwei Jahrzehnte lang dem deutschen Papst gedient hat. Heute ist in Italien sein mit Spannung erwartetes Memoirenbuch erschienen. Unter dem Titel „Nichts als die Wahrheit“ berichtet der aus dem Schwarzwald stammende Erzbischof über vereinzelte Meinungsverschiedenheiten zwischen dem ehemaligen und dem amtierenden Papst.

Papst Benedikt: Gänswein berichtet von Meinungsverschiedenheiten mit Franziskus

Benedikts Vision von einer Kirche als lebendigem Organismus, durchdrungen von der Leidenschaft für Christus, der den Menschen Sinn, Richtung und Glück bringen will, stößt gegen die Neuerungen des Pontifikats von Jorge Bergoglio, wie etwa die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten, die Abwendung von der Latein-Messe und die Offenheit gegenüber Homosexuellen und Transsexuellen, die Franziskus öfters bei Audienzen empfangen hat, geht aus Gänsweins Werk klar hervor.

Das Buch sorgt in Italien seit Tagen für Schlagzeilen, weil noch vor der Beisetzung Benedikts vergangene Woche erste Auszüge bekannt wurden. In Kommentaren wurden diese als Angriffe gegen den argentinischen Papst gedeutet.

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Gänswein war „schockiert und sprachlos“ über Suspendierung

Dass der konservative Gänswein kein Freund des Papstes aus Lateinamerika ist, ist in Rom altbekannt. Öffentlich wahrte der Kurienerzbischof, der sieben Jahre lang sowohl dem zurückgetretenen Benedikt als auch Franziskus als Präfekt des Päpstlichen Hauses diente, jedoch die Form.

Nun, nach dem Tod Benedikts, scheint Gänswein offen sprechen zu wollen. Er sei „schockiert und sprachlos“ gewesen, als der amtierende Papst ihn 2020 als Präfekten des Päpstlichen Hauses vorübergehend suspendierte, heißt es in seinem Buch, das er mit dem Vatikan-Experten Saverio Gaeta geschrieben hat. Seine Beurlaubung bezeichnet Gänswein gar als „Vorwand“.

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Gänswein hatte sich für ein Festhalten am Zölibat ausgesprochen

Der gebürtige Bayer war in Ungnade gefallen, als Mitte Januar 2020 ein Buch des traditionalistischen Kardinals Robert Sarah aus Guinea veröffentlicht wurde, das als gemeinsames Werk mit Benedikt gedruckt wurde. Darin verwarfen beide die Forderungen der Amazonassynode und forderten ein standhaftes Festhalten am Zölibat. Deutlich wurde, dass Franziskus sich ziemlich geärgert haben musste – er beurlaubte Gänswein kurz danach als Präfekten des Päpstlichen Hauses und gab ihm die Anweisung, sich künftig ausschließlich um Benedikt zu kümmern.

Am Montag wurde der 66-jährige Gänswein von Papst Franziskus zu einer Privataudienz empfangen. Der Inhalt des Gesprächs wurde nicht kommuniziert, gut informierte römische Medien berichteten jedoch, dass Franziskus den deutschen Erzbischof zu „Diskretion“ aufgerufen habe. „Jetzt muss ich schweigen“, heißt es in einem Zitat Gänsweins, der sich auf Quellen aus dem engen Umfeld der Privatsekretärs beruft.

Spekulationen über Gänsweins Zukunft

Über die Zukunft Gänsweins wird in Rom wild spekuliert. Laut Insidern könnte er die Ewige Stadt verlassen und ein Leben außerhalb der Vatikan-Mauern verbringen. So könnte er sich in die mittelitalienische Stadt Urbisaglia zurückziehen, wo er sein Titularbistum hat. Auch über eine Rückkehr nach Deutschland, wo noch einige Mitglieder seiner Familie leben, wird spekuliert.

In Bamberg und Paderborn werden derzeit noch Bischöfe gesucht. Auch eine Zukunft als Apostolischer Nuntius könnte eine passende Lösung für Gänswein sein. Er würde somit weiterhin im Dienst des Vatikans stehen, ohne jedoch in Rom zu verweilen.

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