
Celina Constapel macht einen Selbsttest im Karate – und muss in manchen Situationen wie hier mit Armin Gudat cool bleiben.
Foto: Marinko Prša
Ennepetal. Nur schlagen, treten und bunte Gürtel? Im Shotokan Ennepetal wird auch das gelernt, im Vordergrund stehen aber viel mehr die Werte des Karate.
Am Anfang, am Ende und immer wieder zwischendurch verbeugen sich die Karateka voreinander. „Karate beginnt und endet mit Respekt“, lautet ein Grundsatz des Vereins Shokotan Ennepetal. Ich durfte eine typische Trainingsstunde bei dem sportlichen Leiter Armin Gudat in der Altersgruppe ab 14 Jahre für Jugendliche und Erwachsene besuchen und mir ein Bild von dem Sport und dem Verein machen.
Bevor die neunzigminütige Stunde losgeht, muss die passende Ausrüstung her. Dazu gehört ein weißer Karate Gi, der aus einer Hose, einer Art Jacke und einem Gürtel besteht. Die Farbe des Gürtels zeigt den Ausbildungsgrad des Sportlers an. Das Binden bedarf einer Anleitung durch einen erfahreneren Karateka, klappt dann aber problemlos. Schuhe werden beim Karate nicht getragen, daher gehen wir barfuß in die Turnhalle. Dort stellen sich die Schüler ihrer Gürtelfarbe nach auf.
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Als Anfängerin mit einem weißen Gürtel stelle ich mich an den Rand. Die Farben reichen von gelb bis braun, also von der Unterstufe bis zur Oberstufe. „Wegen der unterschiedlichen Stufen ist das die komplexeste Trainingsgruppe“, berichtet der sportliche Leiter des Vereins, Armin Gudat. Diese Gruppe trainiert zweimal pro Woche und jede Stunde erscheinen von den 55 Mitgliedern etwa 25 bis 30 Leute.
Zu Beginn grüßen alle erst einmal ein Foto
Trainer Armin Gudat stellt sich vor die aufgereihten Schüler und alle verbeugen sich zur Begrüßung. Dann folgt wie vor jeder Stunde ein Ritual. „Wir machen das, um hier anzukommen“, erklärt Gudat. An der Wand hängt ein Foto von Gichin Funakoshi, dem Begründer des modernen Karate-Do. Der Dojoleiter kniet sich vor das Bild und die Schüler tun es ihm der Reihe nach gleich, die höher Gradierten zuerst. Auf ein japanisches Kommando hin verneigen sich alle vor dem Bild. Dasselbe Ritual wird am Ende der Stunde wiederholt, „um sich auf die Welt da draußen vorzubereiten“, sagt Armin Gudat scherzend, dessen schwarzer Gürtel auf seinen Meistergrad hinweist.
Nun beginnt das Aufwärmprogramm: Händehaltend stehen die Karateschüler im Kreis und befolgen die Anweisungen von Trainer Gudat, oder versuchen es zumindest. „Ich sage vor, ihr sagt das Gegenteil, aber macht, was ich gesagt habe.“ Obwohl die Umsetzung bei mir nicht so erfolgreich verläuft, habe ich das Gefühl, jetzt endgültig angekommen zu sein. Anschließend kommen Schwimmnudeln zum Einsatz, und dann gehen wir zu Gymnastik über.
Gute Stimmung steht immer im Vordergrund
Neben dem Körperlichem fordern die Übungen auch viel Konzentration. Bei Partnerübungen achtet Trainer Armin Gudat darauf, dass nicht immer dieselben Personen zusammen trainieren. Bei manchen Aufgaben laufen die Schüler durch die Turnhalle und geben sich beispielsweise high five, wenn sie jemanden begegnen. Das trägt zur guten Stimmung bei. Dojoleiter Armin Gudat sagt: „Hier sind keine Stinkstiefel, wir sind ein Familienverein.“ Jeder sei willkommen, unabhängig von Alter, Größe oder aktuellem Fitnessniveau. Körperliche Beeinträchtigungen seien ebenfalls kein Problem, da das Training im Rahmen der individuellen Fähigkeiten stattfindet. Mir fällt sofort die hohe Anzahl an Frauen auf. Laut dem Verein Shokotan Ennepetal sind etwa die Hälfte ihrer Mitglieder weiblich.
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Nach den Übungen raucht mein Kopf, aber ich bin aufgewärmt und bereit Karate kennenzulernen. Die Schüler stellen sich in zwei Reihen auf und japanische Kommandos erschallen in der Turnhalle. Ich versuche die Bewegungen der anderen nachzuahmen. Nach ein paar Minuten erhalte ich vom Rest der Gruppe getrennt Einzelunterricht.
Umfassende Erstbetreuung
Vier Karateka kommen nacheinander zu mir und bringen mir einige Grundlagen bei. Alle, die zum Probetraining da sind, erhalten diese Betreuung oder werden von einer Person angeleitet. Armin Gudat berichtet, dass in einer normalen Woche mindestens eine Person zum Probetraining kommt. Für die Kindergruppe gäbe es eine Warteliste.
Als erstes kümmert sich Gudat um mich und erklärt, worum es bei Karate geht: „Es geht uns um den Selbstschutz, ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf.“ Achtsamkeit spiele dabei eine wichtige Rolle, denn so nehmen die Karateka Gefahr wahr und gehen ihr aus dem Weg.
Viele verschiedene Grundtechniken kennengelernt
Nachdem ich den richtigen Stand und den Fauststoß nach vorne „Oi Tsuki“ halbwegs beherrsche, erklärt mir Jugendwartin Patricia Betzing, wie die Karateka sich dabei vorwärts bewegen. Dann lerne ich die Technik „Age Uke“, den Abwehrblock nach oben, kennen und strenge mich an, um beim Fußtritt nach vorne „Mae Geri“ das Gleichgewicht zu halten. „Das Verletzungsrisiko beim Karate ist sehr gering, weil wir keinen Körperkontakt haben“, sagt der erste Vorsitzende des Vereins, Ulrich Terlau. Er lernte Armin Gudat 1982 in einem Karatekurs kennen. „Damals gab es noch richtige Anfängerkurse mit 80 Leuten“, erinnert sich Gudat.
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Der Einzelunterricht ist beendet und ich reihe mich wieder in die Gruppe ein. Diesmal bin ich nicht ganz so aufgeschmissen und wende das an, was ich gelernt habe. Die Karateka bewegen sich von einer Seite der Turnhalle zur anderen. Trainer Armin Gudat fordert 100 Prozent von seinen Schülern, als alle im Kreis stehen und den Fauststoß nach vorne ausführen. Die Turnhalle ist erfüllt von Kampfschreien. Am Ende der Stunde erfolgt das abschließende Ritual und für meine Bemühungen gibt es einen kleinen Applaus. Ich verstehe die Aussage von Armin Gudat: „Wir haben die Erfahrung gemacht: wer einmal kommt, wieder kommt.“
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