Neheim. Bürgermeister-Kandidaten erörtern Wege, auf denen Bürger in eine immer stärker digitalisierte Welt mitgenommen werden können
Die Bürger mitnehmen in eine immer stärker digitalisierte Welt: Wie ein roter Faden zog sich diese politische Anspruch durch eine Podiumsdiskussion mit den vier Bürgermeisterkandidaten im Neheimer Kaiserhaus. Es ging darum, die Stadt Arnsberg zukunftssicher zu machen. Bei der mit 250 Zuschauern sehr gut besuchten Veranstaltung des Digitalen Forums Arnsberg wurden Chancen und Risiken der Digitalisierung angesprochen.
Live-Kommentare im Kaisersaal
Peter Erb für CDU/Grüne, Ralf Paul Bittner (SPD), Reinhard Wilhelm (Familienpartei) sowie Emilio Peluso (AfD) stellten sich den Fragen von WDR-Lokalzeit-Moderatorin Michaela Padberg. Zwischendurch beantwortete Digitales-Forum-Sprecher und Gonicus-Chef Alfred Schröder auch noch einige Fachfragen, außerdem konnten die Zuschauer Fragen stellen. Gäste aus dem Publikum oder Bürger, die die Veranstaltung daheim per Facebook-Livestream verfolgten, konnten per Twitter-Stream #Arnsbergwählt live die Veranstaltung kommentieren. Die Kommentare machte das Digitale Forum auf einer großen Liveticker-Wand sichtbar, was Zuschauer als spannenden Nebeneffekt empfanden.
Manchmal sind der Stadt die Hände gebunden
In der Diskussion bewiesen die vier Bürgermeisterkandidaten Einigkeit beim Ziel, die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft öffentlich zu fördern. Großartige Versprechungen konnten sie ihren Wählern aber auch nicht machen, weil die Steuerung von Prozessen oft nicht in ihren eigenen Händen liegt, sondern in vielen Fällen „Dritte“ gefragt sind: seien es die Netzbetreiber, die für schnelleres Internet in Gewerbegebieten sorgen sollen, seien es die Industrie- und Handelsunternehmen, die mit einer neuen Geschäftsstrategie auf die jetzt schon stark veränderten Produktions- bzw. Einzelhandelsprozesse reagieren müssen.
Vier thematische Einzelbereiche
Das Thema Digitalisierung wurde in den vier Einzelbereichen Verwaltung, Bildung, Industrie und Handel diskutiert. Jeder der vier Bewerber konnte zunächst ein Statement abgeben und dann wurde noch mal konkret nachgefragt. Zwischendurch lockerten Einspielfilme zum Thema Digitalisierung die Veranstaltung auf.
Ralf Paul Bittner (SPD) setzt sich dafür ein, dass im Rathaus eine „Projektgruppe Digitalisierung“ mit vielfältigem Aufgabenbereich geschaffen wird. Bittner hält es derzeit für absolut unbefriedigend, dass eine einzige Person bei der Stadt Arnsberg für das Netzwerk aller Arnsberger Schulen zuständig ist. Wasser auf Bittners Mühlen kippte eine Vertreterin der Norbertusschule, die über Netzprobleme von Grundschulen - „Wir kommen nicht ins Internet“ - berichtete.
Forderung: „Besseres Netz für Schulen“
Mit der Forderung „Besseres Netz für Schulen“ lief die Zuschauerin auch bei Peter Erb (Kandidat von CDU/Grünen) offene Türen ein. Beim Blick auf Laptop-Klassen, in denen Schüler nicht mehr mit schwerem Tornister zur Schule gehen müssen, sondern ihr Unterrichtsmaterial online abrufen können, sagte Erb auch unter Kostengesichtspunkten: „Wir sollten nicht veraltete Laptops anschaffen, sondern auf die schülereigenen Smartphones setzen, die die Schüler mit in die Schule bringen könnten. Hier könnten Schüler mit einem einheitlichen Software-Programm arbeiten.“
Reinhard Wilhelm setzt sich für Digitalen Bürgerrat ein
Reinhard Wilhelm (Familienpartei) entgegnete: „Ich glaube nicht, dass mit der Verteilung von Tablet-PCs oder mit der Schulung auf ein paar Software-Programme fürs Smartphone Kinder zukunftsfähig gemacht werden.“ Kinder sollten in der Schule auch das Programmieren von EDV und Geräten erlernen. Wilhelm hatte es verwundert, dass die Eltern- und Schülerschaft eines Arnsberger Gymnasiums das freiwillige Bildungsangebot einer Computerschulung in der 5. Klasse ablehnten.
Emilio Peluso (AfD) sah das Thema Digitalisierung insbesondere aus wirtschaftlicher Perspektive. Als Betriebsleiter im Bereich Sondermaschinenbau setzte er sich für schnelles und leistungsstarkes Internet in Gewerbegebieten ein. Dies war auf dem Podium unbestritten, gleichwohl wurde unisono darauf hingewiesen, dass hier Druck auf die Netzbetreiber ausgeübt werden müsse.
Wichtige soziale Komponente
Wichtig war es Erb und Bittner, dass Digitalisierung keinen Selbstzweck darstelle, sondern dem sozialem Miteinander dienen müsse. Erb meinte in Anspielung auf die Computerzahlen 0 / 1: „Wer Null oder Eins bestimmt, bestimmt der Bürger und nicht die Politik.“ Bittner ergänzte: „In künftigen Stadtbüros soll es neben Automaten, an denen Bürger ihre Daten für Anträge eingeben, auch Menschen geben, mit denen der Bürger sprechen kann.“ Reinhard Wilhelm forderte eine stärkere Bürgerbeteiligung in Form eines Digitalen Bürgerrats. „Bürger sollen im Internet sehen können, wie der Verfahrensstand bei ihrem Antrag aussieht“, nannte er ein Beispiel.
Erb und Bittner wirken wie „GroKo für Arnsberg“
In Fragen der Digitalisierung waren sich Erb und Bittner vielfach einig, so auch bei der Vernetzung von Offline und Online im Einzelhandel. So murmelten einige Zuschauer schon, eine „Verwaltungs-Doppelspitze“ zu wählen oder „GroKo für Arnsberg“ zu realisieren. Als Andreas Bremke, Chef von ANH-Hausbesitz in einem Einspielfilm die Frage stellte, ob im sanierten Rathaus erneut die bisherigen 300 Arbeitsplätze geschaffen werden müssen - „Reichen vielleicht 100 oder 200?“ - gab es sofort Widerspruch von Erb und Bittner: Die Digitalisierung solle nicht dazu dienen, Personal einzusparen, sondern Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern.
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