Neheim. Auch Kinder und Jugendliche hier aus der Region leiden unter Cybermobbing. Ein Experte erklärt, was man als Eltern dagegen tun kann.
„Das Internet vergisst nicht“: In keinem Zusammenhang passt diese Aussage wohl besser als im Hinblick auf das Thema Cybermobbing. Seit 1998 gibt es die sogenannte JIM-Studie des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, die sich jedes Jahr mit dem Medienverhalten von jungen Menschen zwischen zwölf und 19 Jahren befasst. Bei der letzten Studie aus dem Jahr 2022 gaben 16 Prozent der befragten Jungen und Mädchen an, dass sie im Monat zuvor Beleidigungen oder Anfeindungen gegen sich im Netz erlebt haben.
Soziale Netzwerke
Für Hendrik Mutzenbach ist das keine Überraschung. Der gebürtige Holzener ist studierter Medienwissenschaftler und arbeitet in Bielefeld. Bei einem Vortrag am St.-Ursula-Gymnasium in Neheim, der von der Elternpflegschaft der Schule organisiert wurde, erklärt er: „Cybermobbing findet sehr häufig in sozialen Netzwerken statt. Hierbei kommt es auch zu einem deutlichen Unterschied zwischen dem klassischen Mobbing und der neuen Form des Cybermobbings. Während das klassische Mobbing in der Schule früher in der Regel damit endete, dass man nach Hause kam und dann für den Rest des Tages nicht mehr den Hänseleien der Mitschülerinnen und -mitschülern ausgesetzt war, gehen die Anfeindungen heute weiter, sobald man in sozialen Netzwerken unterwegs ist, oder sein Smartphone benutzt.“
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Hendrik Mutzenbach betont dabei, dass Cybermobbing an sich juristisch nicht als Straftat erfasst wird. „Erst die dazugehörigen Beleidigungen, Verleumdungen oder sogar Bedrohungen sind Straftaten. Und dagegen kann vorgegangen werden“, so Mutzenbach.
Natürlich stellen sich Eltern an dieser Stelle oft die Frage, was sie dafür tun können, dass ihre Kinder nicht Opfer eines solchen Cybermobbings werden. Der Medienwissenschaftler will hier bewusst keine Illusionen aufkommen lassen. „Entweder man geht den drastischen Weg, schafft Smartphones, Tablets und Computer ab, geht auch sonst nicht ins Internet und verzieht sich in eine Holzhütte irgendwo am Ende der Welt, oder aber man muss akzeptieren, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gegen Cybermobbing gibt.“ Sobald man sich im Internet bewege, sei man potenziell gefährdet für Anfeindungen und Beleidigungen. Man müsse sich und seinen Kindern bewusst machen, dass sich im Internet viele Personen mit bösen Absichten bewegen würden, unterstreicht Hendrik Mutzenbach.
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Der gebürtige Holzener möchte Eltern und Kinder aber auch nicht zur totalen Kapitulation und zu einer fatalistischen Grundeinstellung animieren. „Erziehen Sie Ihre Kinder zu selbstbewussten und selbstreflektierten Menschen. Denn wenn ein Kind oder ein Jugendlicher seine Stärken und Schwächen besser einschätzen kann, dann wird es in der Regel auch mit Beleidigungen anders umgehen und besser damit fertig werden.“ Das Zauberwort laute in diesem Fall Resilienz, also dem besseren Verarbeiten von Rückschlägen und dem Entwickeln der psychischen Widerstandskraft.
Nicht triggern lassen
Es gehe auf keinen Fall darum, sich passiv und unterwürfig zu verhalten. „Aber man muss lernen, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Wer durch Beleidigungen oder Anfeindungen getriggert wird – sich also zu Gegenreaktionen hinreißen lässt -, der motiviert die Mobber nur dazu, weiterzumachen.“ Umgangssprachlich ausgedrückt, würden diese Menschen den „Bär tanzen lassen wollen“.
Nach Ansicht von Hendrik Mutzenbach seien Eltern noch immer die erste Anlaufstelle für die Kinder, wenn sie Opfer von Cybermobbing würden. Deshalb sollten sie auch umso vorsichtiger und sensibler damit umgehen. „Bitte reagieren Sie nicht mit Vorwürfen, frei nach dem Motto: ‘Was hast du angestellt, weshalb man dich mobbt?’ Das ist vollkommen kontraproduktiv und verwechselt Opfer mit Tätern. Danach fühlen sich die Kinder erst recht schlecht und allein gelassen mit ihren Sorgen“, so Mutzenbach. Häufig würden die Kinder und Jugendlichen unter Druck gesetzt und ausgegrenzt, die sich nicht massenkonform verhielten und beispielsweise andere Kleidung trügen und andere Hobbys verfolgten, als die breite Masse.
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Eltern können Kontakt mit der Schule aufnehmen. Dort gebe es oft Ansprechpartner, die sich mit dem Thema Mobbing auskennen und helfen. Sollte dies nicht funktionieren, sei der Weg zum Jugendamt bzw. zur Polizei eine Option.
Bei kompromittierenden Bildern, die im Internet kursierten, bestehe grundsätzlich die Option, den jeweiligen Betreiber eines Netzwerks oder einer Plattform um die Löschung zu bitten. Die Garantie, dass dies dann auch vorgenommen werde und die Bilder auch nie wieder zu finden sind, sei aber gering. Selbst juristischer Beistand könne dabei nicht immer zum erwünschten Erfolg führen.
Schnelle Hilfe auf einen Blick
Wer sich über das Thema Cybermobbing informieren möchte und nach weiteren Tipps zum Umgang damit sucht, der kann sich auf folgenden Internetseiten einlesen und Hilfe finden:
www.klicksafe.de
www.jugendschutz.net
www.saferinternet.at
www.buendnis-gegen
-cybermobbing.de
Viele Schulen verfügen mittlerweile über sogenannte Medienscouts, die sich mit der Problematik auskennen und Ratschläge geben können. Außerdem gibt es in den Bildungseinrichtungen auch immer mehr Ansprechpartner, die Mobbing-Opfern helfen können.
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