Corona in Hagen

Corona: Hagenerin leistet Entwicklungshilfe in Ghana

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Die Hagenerin Bettina Landgrafe lebt und arbeitet in Afrika. Mit ihrem Verein Madamfo Ghana leistet sie auch im Corona-Jahr Entwicklungshilfe-Arbeit.

Die Hagenerin Bettina Landgrafe lebt und arbeitet in Afrika. Mit ihrem Verein Madamfo Ghana leistet sie auch im Corona-Jahr Entwicklungshilfe-Arbeit.

Foto: Landgrafe

Hagen/Ghana  Viele sind raus aus Afrika, vor Corona geflohen. Nicht Bettina Landrafe. Ihr Verein "Madamfo" hat mehr Projekte gestemmt als je zuvor.

Viele sind raus aus Afrika. Viele sind vor Corona geradezu geflohen. Sie ist geblieben. Weil sie das Land liebt, weil sie die Menschen liebt, weil sie sich gerade jetzt, in so einer Situation, niemals einfach aus dem Staub machen würde. „Ich kann nicht weg, ich will nicht weg“, sagt Bettina Landgrafe, Hagenerin, Königin der Ashanti. Sie, die seit Jahrzehnten mit ihrem Verein Madamfo Ghana Entwicklungshilfe in Westafrika leistet, hat mit ihrem Team auch 2020 viele Projekte gestemmt – mehr als je zuvor.

„Wie sollen sich die Menschen regelmäßig die Hände waschen, wenn es nicht einmal Wasser gibt?“ sagt Bettina Landgrafe. Also hat sie – unterstützt vom Comedian Atze Schröder – im Dorf Atabulu eine Wasseranlage für 50.000 Euro gebaut. Mitten im Lockdown, mitten in der Coronazeit.

Ein Freudenfest: Es gibt sauberes Trinkwasser

Rund 10.000 Menschen, die bislang Wasser über Kilometer hinweg aus einem entlegenen Fluss holen mussten, haben nun Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Dorfbewohner haben das mit einem großen Umzug gefeiert. Ein Freudenfest, dessen Bilder sich über die sozialen Netzwerke bis nach Deutschland verbreitet haben.

Und diese Bilder, die feiernden Menschen, die lachenden Gesichter - sie stehen für so vieles, was Ghana und die Menschen dort ausmacht. Auch in der Coronazeit. „Corona und der Lockdown sind hier ein Problem“, sagt Bettina Landgrafe, „aber sie sind lange nicht das einzige Problem. Es gibt Malaria und Cholera. Es gibt Seuchen; und Menschen sterben daran – es mag bitter klingen – aber in Ghana gehört das zum Alltag.“ Und trotzdem verlieren die Ghanaer nicht ihre Lebensfreude.

Es geht ums Überleben

Corona und der Lockdown aber verschärft die Situation. „Es fehlt hier an allen Ecken und Enden“, sagt Bettina Landgrafe, die die Situation in Deutschland und in Hagen aus der Distanz über das Internet und soziale Medien verfolgt. „Deutschland und Ghana – gerade während einer solchen Pandemie kann man das nicht vergleichen. In dieser Extremsituation wird einem das noch einmal bewusster. Hier geht es um Existenzen, ums Überleben. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass unsere Situation in Afrika von den Europäern vergessen wird.“

Was Madamfo Ghana am meisten Sorgen macht: Der von der Regierung angeordnete Lockdown in den Schulen, der bereits seit Mitte März gilt. „Es gibt hier kein Homeschooling“, sagt Bettina Landgrafe, „dabei ist gerade Bildung hier so wichtig.“

Befürchtung: Kindersklaverei wird zunehmen

Die Folgen sieht sie schon jetzt mit Schrecken auf das Land und auf ihre Organisation zukommen: „Über die Schule gibt es eine gewisse soziale Kontrolle“, sagt Bettina Landgrafe, „niemand registriert jetzt, wenn plötzlich ein Kind verschwindet. Die Kindersklaverei, gegen die wir seit Jahren kämpfen, wird zunehmen. Dasselbe gilt für Zwangsehen und Schwangerschaften von Kindern. Wir versuchen, zumindest die Schulspeisungen in vielen Regionen des Landes aufrechtzuerhalten, damit wir den Kontakt nicht völlig verlieren.“

Solche Regelungen sind auch immer wieder in Zusammenarbeit mit den Regierungsverantwortlichen möglich, weil sich die Organisation in vielen Teilen des Landes einen so guten Ruf erworben hat. „Wir sind diejenigen, die auch jetzt vor Ort weitermachen. Wir sind die, die ausschließlich Einheimische beschäftigen, die einen ganz direkten Draht zu den Menschen haben. Wir sind für die Menschen hier greifbar“, sagt Bettina Landgrafe, „keiner unserer Mitarbeiter wollte im Lockdown im Büro bleiben. Alle wollten raus und Projekt in den Dörfern verwirklichen.“

Ein Dreirad mit Handkurbel für schwerbehinderte Kinder

Ein Kinderrollstuhl, den Madamfo Ghana im Lockdown gemeinsam mit einer einheimischen Fima entwickelt hat, gehört zu diesen Vorzeigeprojekten. Das Dreirad mit Handkurbel bietet schwerbehinderten Kindern, die die Hütten ihrer Familie nicht verlassen konnten, die keine Schule besuchen konnten, wieder eine Perspektive. „Wir haben sie bis an die Grenze im Norden ausgeliefert. Das sind 900 Kilometer“, sagt Bettina Landgrafe. In einem Land, das nicht durch Autobahnen sondern durch teilweise provisorischste Wege, die man nur mit einem Geländewagen befahren kann, ist das eine riesige Distanz.

Und manchmal sind es auch die kleinen Projekte, die Hoffnung geben. „Wir haben ein Video gedreht und in die Stammessprachen übersetzt, mit dem wir zeigen, wie man aus einem Taschentuch eine Corona-Schutzmaske herstellen kann“, sagt Bettina Landgrafe. Dieser Film hat sich verbreitet – zuerst im ganzen Land, dann weit über die Grenzen hinaus. „Am Ende hatten wir sogar eine Presseanfrage aus New York.“

So kann man die Arbeit unterstützen

Wer den Verein Madamfo Ghana unterstützen möchte: Madamfo Ghana, Sparkasse Hagen, IBAN: DE77450500010101900090

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