Hagen. Dirigent Florian Ludwig hat als Generalmusikdirektor in Hagen mit Rockbands und mit Jugendlichen gespielt und große Klassik interpretiert. Bilanz zum Abschied
In Meschede und Olsberg wird er auf der Straße ebenso erkannt wie in Hagen, und das nicht nur, weil er ein Mann von Statur ist. Professor Florian Ludwig ist seinerzeit angetreten, der Generalmusikdirektor für die ganze Region zu werden, und dieses Versprechen hat er gehalten, indem er viele Ideen in die Kulturarbeit getragen hat. Nach neun Jahren verlässt der Maestro nun das Theater Hagen und die Hagener Philharmoniker, um Professor in Detmold zu werden und freiberuflich zu dirigieren. Die Hagener Philharmoniker stehen am Ende seiner Amtszeit so gut da wie selten zuvor in ihrer über 100-jährigen Geschichte.
Was bleibt?
Bei mir bleibt eine große Dankbarkeit dafür, dass ich in dieser Stadt neun Jahre lang das musikalische Leben maßgeblich mitgestalten konnte. Und ich hoffe, dass von mir und den Impulsen, die ich gesetzt habe, einige Bestand haben werden: die Arbeit mit dem Orchester, die mit großer Konsequenz dazu geführt hat, dass wir in entscheidenden Positionen ein verjüngtes Orchester auf der Bühne haben, das sehr diszipliniert ist und engagiert und begeistert Musik macht. Gleich an zweiter Stelle sind die Impulse in der Chorarbeit zu nennen. Ein Punkt, auf den ich wirklich stolz bin, ist natürlich der Philharmonische Chor, weil das ein Projekt ist, das viele Leute nicht für möglich hielten. Und alle anderen Projekte, die mit Chorarbeit zu tun haben: Scratch, die Arbeit des Kinder- und Jugendchores, die von uns ins Leben gerufene Soloklasse, die Chorfeste, Projekte mit Schülern, mit den Musikschulen. Das sind alles Dinge, die künstlerische Impulse gesetzt haben, die weiter wirken werden.
Ein schönes Erlebnis?
Neulich wurde ich auf der Straße von einem Konzertbesucher angesprochen, der sagte: Sie haben mir die Musik sehr nahe gebracht und vermittelt und mich damit sehr berührt. Das ist das schönste Kompliment, das man einem scheidenden GMD machen kann. Für mich gehören Musik vermitteln und Musik machen untrennbar zusammen. Ich will eine neue Welt öffnen, eine Hörwelt, dazu muss ich als Dirigent die Bereitschaft haben, die Leute da abzuholen, wo sie sind, egal, um welches Stück es geht, Popsong, Neue Musik oder Strauß-Polka. Es geht darum, den Zuhörern die Chance zu geben, das Geheimnis, was uns die Musik bietet, zu erfahren.
Raus aus dem Elfenbeinturm?
Es war für mich nie die Frage, dass Theater und Orchester zur Stadt geöffnet sein müssen, dass man zu den Leuten geht, dass man verschiedene Orte sucht, dass man die Zusammenarbeit mit den Musikschulen in Hagen, Iserlohn und dem Hochsauerlandkreis sucht und findet. Dass man sich, was die Stilistik betrifft, nicht nur in den Elfenbeinturm zurückzieht, sondern genau das Gegenteil macht: in anderen Musikstilen Synthesen findet und auch mit Wortkünstlern wie Jochen Malmsheimer oder Bernd Gieseking zusammenarbeitet, um mehr Menschen das Erlebnis Musik möglich zu machen.
Über Geld streiten?
Das ist eine der Sachen, die ich wenig vermissen werde und die ich nach wie vor sehr problematisch finde. Ich glaube fest daran, dass wir in diesem Land mehr Mittel in Bildung und Kultur stecken müssen. um die kreative Kraft, die wir brauchen und auch um unser wirtschaftliches Potenzial entfalten zu können. Das hat nichts mit Champagner-Etage zu tun. Ich kann jeden Kommunalpolitiker in seiner Verzweiflung verstehen, wenn er zum Beispiel in Hagen die städtischen Finanzen vor Augen hat. Es wird mich aber keinen Deut davon abbringen, meine Meinung zur Finanzierung der kulturellen und der Bildungsinstitutionen weiter zu vertreten.
Flagge zeigen?
Ich glaube, dass sehr viele Politiker in dieser Stadt hinter dem Theater stehen. Ich weiß aber nicht, wie vielen der Sarkasmus deutlich wird, wenn sie behaupten, sie würden die Kulturinstitutionen mit einem Finanzschnitt von zehn Prozent zukunftssicher machen. Es geht mir nicht ums Nachkarten, sondern es geht mir vielmehr darum, dass die Konsequenzen aus dieser Entscheidung ja nach wie vor nicht offenbar geworden sind und dass das noch Jahre dauern wird.
Das schrecklichste Erlebnis?
Das war für mich der Ratsbeschluss mit den Zehn-Prozent-Kürzungen, das kann ich tatsächlich sagen, auch mit den Konsequenzen, die das hatte. Das hat mich auch emotional sehr getroffen.
Heimat?
Wir bleiben erst einmal hier wohnen, auch mit voller Überzeugung. Hagen ist verkehrstechnisch gut angebunden, das ist für mich als jemand, der freiberuflich viel dirigieren wird, wichtig, und der Weg nach Detmold ist nicht weit.
So ganz geht man ja nie?
Ich f reue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit den Münchner Symphonikern, mit denen ich Neujahr Beethovens „Neunte“ mache, das spielen wir in München, Stuttgart und Garmisch. Und es wird eine Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Detmold und dem Philharmonischen Orchester Hagen geben, ein Mitsingkonzert in der Johanniskirche in Hagen schon im Dezember 2017, das von meinen Studierenden dirigiert wird.
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