Christen sollen die Botschaft von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit erzählen und gemeinsam für ein demokratisches Europa einstehen.
Die frohe Botschaft von der österlichen Auferweckung des Gekreuzigten findet ihren Weg nach Europa. Es ist ein Ruf nach Hilfe, der nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte in geheimnisvoller Weise den Apostel Paulus erreicht. Um Hilfe gerufen wird ein jüdischer Schriftgelehrter, der auf wundersame Weise zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat und sein Vertrauen in diese Geschichte vom gekreuzigten und auferweckten Menschensohn als den Messias seines Gottes setzt. Es ist ein Jude, der die frohe Botschaft nach Europa bringt. Abendländische Tradition ist jüdisch-christliche Tradition. Um ihres eigenen Erbes willen haben die Kirchen deshalb dem aktuell neu aufbrechenden Antisemitismus deutlich und energisch zu wehren.
Das Evangelium kommt nach Europa. Die frohe Botschaft trifft auf eine zutiefst fremde Wirklichkeit, auf kulturelle Besonderheiten und konkrete Lebensumstände. Gottes Wort verändert kulturelle Traditionen und gesellschaftliche Verhältnisse.
Das Wort Gottes kommt nach Europa. Die Schattenseiten wollen wir nicht verschweigen, aber es hat für uns Evangelische über die Reformation und die Aufklärung hinweg bis heute in Kirche und Gesellschaft viele segensreiche Entwicklungen hervorgebracht. Vor allem hat es den Menschen eine Freiheit bezeugt, die sie von allen weltlichen und auch allen kirchlichen Autoritäten frei macht. Christentum heißt eben nicht, rigide Gebotsethik und überkommene Traditionen zu wiederholen, sondern verantwortlich danach zu fragen, wie unser Herr, der nicht nur ein Herr der Herzen, sondern eben auch ein Herr der Herren ist, heute in Europa aktuell und kontextuell zu Wort kommen will.
Das führt unweigerlich zu der bohrenden Frage, ob wir denn den Hilferuf, der heute aus entgegengesetzter Richtung zu uns herüberschallt, noch hören. Europa, von der frohen Botschaft erreicht, droht im Angesicht der Fluchtbewegungen an seiner Sattheit zu ersticken und immer neue Formen der Unmenschlichkeit hervorzubringen. Hier offenbart sich hinter nationalistischen Parolen eine erschreckende geistige und geistliche Leere.
Im Mai sind Wahlen zum Europäischen Parlament. „Nationalisme c’est la guèrre!“ (Nationalismus bedeutet Krieg!) hat der frühere französische Staatspräsident Francois Mitterand, schon vom Tode gezeichnet, bei seiner letzten Rede im Europäischen Parlament ausgerufen. Die heutige Generation lebt in einer privilegierten Zeit. Siebzig Jahre ohne Krieg in einem vergleichsweise hohen Wohlstand hat es in der europäischen Geschichte noch nie gegeben. Das Europa offener Grenzen ist ein Raum des Friedens, der Freiheit, der Demokratie und des Wohlstands geworden. Das ist der Verdienst der europäischen Idee. Sie ist in den letzten Jahren verblasst und wird heute aggressiv von einer nationalistischen Idee angegriffen, die wieder Mauern errichten und selbstverständliche demokratische Errungenschaften abbauen will.
Den Menschen lautstark zuzurufen, dass sie das europäische Erbe zu bewahren haben, ist die aktuelle Aufgabe für die Kirchen aller Konfessionen in Europa, mit all ihren unterschiedlichen Traditionen und ihrer oftmals nicht ganz einfachen Geschichte. Nur dadurch wahren sie ihre ökumenische Weite und ihre Gesprächsfähigkeit untereinander sowie mit anderen Religionen und Kulturen. Jesus hat versprochen, auf diesem Weg bei ihnen zu sein. Eine Bestandsgarantie für ein christliches Abendland und eine christliche Kirche hat er nicht gegeben.
Es ist deshalb, gerade als Christinnen und Christen, unser Auftrag, diesen Narrativ von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit weiter zu erzählen, diese europäische Idee mit neuem Leben zu erfüllen und für sie zu kämpfen. Es gibt keine Alternative für Deutschland: wir müssen Demokraten sein!
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