Hilfseinsätze

Rettungshund aus Wenden: Die gefährliche Suche in Trümmern

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Torgen Mörschel mit seiner Australian-Shepherd-Hündin "Pearl". Durch sie kam er vor elf Jahren zur Rettungshundearbeit.

Torgen Mörschel mit seiner Australian-Shepherd-Hündin "Pearl". Durch sie kam er vor elf Jahren zur Rettungshundearbeit.

Foto: Privat / WP

Wenden.  Torgen Mörschel aus Wenden ist mit Rettungshund Pearl in Katastrophengebieten im Einsatz, wie dieses Jahr nach der schweren Explosion in Beirut.

„Pearl“ ist die Perle von Torgen Mörschel. Die Australian-Shepherd-Hündin ist sein treuer Weggefährte. Sie weicht ihm nicht von der Seite, auch dann nicht, wenn sich der 49-Jährige in brenzlige Situationen begibt. Bei Einsätzen in Katastrophengebieten kann sich der Wendener zu hundert Prozent auf seinen Rettungshund verlassen. „Wir hatten sie als Familienhund gekauft, aber Hundesport ist nicht so mein Ding. Ich wollte etwas Sinnvolles mit ihr machen und bin durch sie vor elf Jahren zur Rettungshundearbeit gekommen“, erzählt Torgen Mörschel im Gespräch mit unserer Redaktion. Für uns ist er der Held des Jahres 2020.

An einem Morgen im August saß der Fachdienstleiter Tiefbau in seinem Büro in der sechsten Etage des Wendener Rathauses. Um 11 Uhr klingelte plötzlich das Telefon. Es ging um seinen Einsatz nach der schweren Explosion in Beirut. „Zwei Stunden später haben wir uns am Frankfurter Flughafen am Sammelplatz getroffen“, sagt Mörschel. Mit dabei waren auch Helfer des THW. Der Flieger hob ab in Richtung Libanon: „Die ersten 72 Stunden sind am Wichtigsten. Da kann man noch Menschenleben retten.“ Mit an Bord war natürlich auch „Pearl“.

Bundesverband der Rettungshundestaffel

Torgen Mörschel gehört mit seinem Vierbeiner zum Bundesverband der Rettungshundestaffel. Der Bauingenieur aus Wenden ist Zugführer, um die Einsätze zu leiten. Er ist zudem Mitglied des Auslandskaders, der zuständig ist bei internationalen Katastrophen. Mit einem Team der Hilfsorganisation ISAR (International Search and Rescue) war er nach der Explosion im Libanon im Einsatz.

„Bei Trümmerlagen ist es immer gefährlich“, sagt Torgen Mörschel. Wenn es irgendwo eine Katastrophe gibt, bittet das betroffene Land um Hilfe. Über die Vereinten Nationen kommen dann die Hilfsorganisationen zur Unterstützung. Mörschels Einsatz in Beirut dauerte acht Tage: „Erster Schritt war, nach Verschütteten im Hafenbereich zu suchen. Nach drei Tagen haben wir dann beschädigte Gebäude bewertet, ob sie noch bewohnbar sind. 300.000 Leute standen dort auf der Straße.“ Bei dem Einsatz habe es ständige Militärbegleitung über die deutsche Botschaft gegeben.

Erdbeben in Nepal und Mexiko City

Neben Beirut in diesem Jahr war Torgen Mörschel auch schon bei den schlimmen Erdbeben in Nepal 2015 und Mexiko City 2017 im Einsatz. „Es ist immer ein mulmiges Gefühl, wenn man ankommt. Was erwartet einen? Wie schlimm ist die Situation?“, meint der Bauingenieur. Beim Erdbeben in Mexiko habe man noch mit Nachbeben rechnen müssen: „Meine Aufgabe war es, abzuschätzen, ob man noch in die Gebäude hereingehen kann. Als Sicherheitskraft schätze ich die Trümmerlage ab. Das ist nicht ungefährlich, gerade wenn man sich in den Trümmern bewegt und ein Nachbeben kommt. Man weiß nicht, wie schnell das einstürzen kann.“ Die Frage nach der Angst beantwortet der Wendener so: „Nein, die habe ich nicht direkt. Man ist im Team unterwegs. Alle wissen, was sie zu tun haben.“

Neben den internationalen Einsätzen in Katastrophengebieten ist Torgen Mörschel mit seinem Rettungshund „Pearl“ hauptsächlich in heimischen Gefilden unterwegs. 20 bis 30 Alarmierungen habe es für ihn in diesem Jahr gegeben. In einem Fall habe er mit „Pearl“ bei der Suche nach einem älteren vermissten Mann eine Spur abgelaufen: „Es hat sich dann herausgestellt, dass er sich im Keller erschossen hat.“ Bei den Einsätzen stünden am Ende häufig Suizide: „Da steht dann ein leeres Auto auf einem Parkplatz und die Person wird gesucht oder es geht um einen Rentner, der sich verlaufen hat.“ Kurz vor Weihnachten habe er in Plettenberg bei einer Suchaktion einen Familienvater, der Probleme hatte, tot unter einem Hochsitz gefunden. Der aufwändigste Einsatz in diesem Jahr sei die Suche nach einem vermissten Mädchen gewesen. Nach zwei Tagen gab es dann die traurige Gewissheit: „Es war in einen Fluss gefallen und tot.“

Nur in etwa zehn Prozent der Fälle ende die Suche erfolgreich. Mörschel erinnert sich an eine Frau Mitte 80, die nach dem Tod ihrer Schwester keinen Sinn mehr in ihrem Leben sah. Bei der Suche habe man ein leichtes Wimmern zwischen den Gräbern auf dem Friedhof gehört: „Wir haben sie leicht unterkühlt gefunden und an den Rettungsdienst übergeben.“

Es sei ein zeitaufwändiges Hobby, so der zweifache Familienvater, der unermüdlich ehrenamtlich im Einsatz ist. Zwei- bis dreimal in der Woche muss geübt werden: „Das geht nur, wenn auch die Frau mitmacht.“ Dies ist bei dem 49-Jährigen der Fall. Seine Frau Silke ist in der Ausbildung der Hundestaffel tätig.

Nachfolgerin steht bereit

Für „Pearl“ neigt sich die Tätigkeit an der Seite von Torgen Mörschel dem Ende entgegen. „Mit ihren 12 Jahren darf sie jetzt langsam in den Ruhestand“, sagt er.

Doch die uneigennützige und bewundernswerte Arbeit des Wendeners wird weitergehen. Es gibt bereits jemanden, der in die Fußstapfen von „Pearl“ treten wird. Sie heißt „Elli“, ist ebenfalls eine Australian-Shepherd- Hündin und zweieinhalb Jahre alt. Als Welpe ist sie direkt ins Training eingestiegen und zwei Jahre als Flächenhund ausgebildet worden. Letzten Monat hat sie die Prüfung absolviert.

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