Menden. Die neuen Mendener Jusos reden Klartext: Sie wollen politisches Bewusstsein stärken. Denn an Mendens Schulen, sagen sie, passiert das Gegenteil.
Für was sie politisch im einzelnen stehen wollen, haben die im August neu gegründeten Jungsozialisten (Jusos) in Menden noch nicht genau festgelegt. Doch wer ihnen zuhört, ahnt schon, dass es auf jeden Fall Klartext sein wird: „Städtische Schulen in Menden versuchen ausnahmslos zu verhindern, dass ihre Schülerinnen und Schüler an Aktionen von ,Fridays for future’ teilnehmen. Die halten auch die Schülervertretungen klein, obwohl das doch Orte sind, an denen man echte Demokratie erleben könnte. Denen ist es auch egal, wie das spätere Leben ihrer jungen Leute aussieht, wenn der Klimawandel weiter so fortschreitet. Sie versuchen den Protest an den Freitagen abzubügeln, weil sie einfach nur ihre Unterrichte und ihren Stiefel durchziehen wollen.“
So antwortet Julius Lachmann, Jahrgang 2005, auf die WP-Frage, warum in Menden – anders als noch vor zwei Jahren – am jüngsten „globalen Klimastreik“ am 15. September rein gar nichts passiert ist. Die aktuell heiße Debatte darum, ob man in Jogginghosen in der Schule erscheinen soll oder nicht, ist für Julius Lachmann pure Ablenkung von den wichtigen Themen für seine Generation. „Statt über Jogginghosen müsste man über Zukunftsängste und Leistungsdruck reden.“
Gegen Lethargie und Resignation bei den jungen Leuten
Die Mendener Jusos um ihre frischgebackene Doppelspitze Nela Kruschinski und Philipp Unkhoff sowie Pressesprecher Lachmann wollen genau dieses Bewusstsein wiederherstellen helfen. Sie wollen ankämpfen gegen Lethargie und Resignation unter ihren Altersgenossen – und den Altvorderen in ihrer Stadt Dampf machen.
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Und wieso geht man dann ausgerechnet in die Jugendorganisation der SPD, die doch gerade wieder im Umfragetief festhängt und deren Kanzler nicht annähernd die Strahlkraft für die Jugend hat wie einst Willy Brandt? „Vielleicht gerade deshalb“, sagt Lachmann. „Menden ist nun mal eine Hochburg der CDU, auch die Junge Union ist zahlenmäßig viel stärker als wir. Aber wir“, sagt er selbstbewusst, „wollen hier etwas bewirken. Und dabei auch nicht bloß ,die von der SPD’ sein.“ Tatsächlich soll Menden für sie im Mittelpunkt stehen, vor allem die Frage, warum nicht von hier weggehen, sondern bleiben sollte.
Mit Julius Lachmann ein Juso jetzt auch Mitglied der Ratsfraktion
Damit angefangen, für die neue Juso-Gruppe in Menden zu werben, hat Nela Kruschinski. Bis dahin gab es die Jusos wegen fehlender Mitglieder zuletzt nur noch auf der Ebene des Unterbezirks, also des Kreises. Nela ist als Tochter des Mendener Ortsvereinsvorsitzenden Mirko Kruschinski politisch vorbelastet. „Als wir dann zu siebt waren, haben wir angefangen.“
Und womit? „Wir haben uns ganz bewusst keine große Agenda gegeben, die wie abarbeiten wollen“, sagt Lachmann. „Aber wo wir sehen, dass es für junge Leute in Menden hakt, zum Beispiel bei den fehlenden Clubs, da wollen wir das auch anderen klar machen.“ Dabei helfen soll Abdul Kadir Geylani Karakas, der für die Juso-Arbeit in den Sozialen Medien zuständig ist.
Klimawandel ist Dauerthema in den Klassenräumen: „Viele haben aufgegeben“
Die Gründungsversammlung der neuen Jusos in Menden war am 11. August. Das freute in der Mendener SPD nicht nur deren Vorsitzenden Mirko Kruschinski. Fraktionschef Sebastian Meisterjahn verweist darauf, dass sie Julius Lachmann als sachkundigen Bürger jetzt schon in die Arbeit der Stadtratsfraktion eingebunden haben: „Diese Altersgruppe fehlte bei uns noch.“ Die Mendener Jusos können laut Kruschinski nicht nur das SPD-Büro nutzen, sondern auch mit finanzieller Unterstützung der Partei für ihre Aktivitäten rechnen. „Auf dem Familienfest der SPD im Biebertal hatten sie ihren eigenen Stand.“
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Dass viel Arbeit vor der neuen SPD-Jugend liegen könnte, macht unterdessen Julia Prowe klar. Die Sozialdemokratin ist Lehrerin von Beruf, unterrichtet auch Erdkunde – und damit das Thema Klimawandel. Der ist auch für sie längst zum Dauerbrenner im Klassenraum geworden. Aber: „Manchmal frage ich die Klasse, was sie zur Erderwärmung sagen. Und dann kommt bei vielen etwas, was mich wirklich erschreckt: Die haben aufgegeben.“
Mehr Kunststunden als Politik, und Wirtschaft statt SoWi
Diese Schülerinnen und Schüler erklärten ihr dann, dass sowieso nichts mehr passiere, was den Klimawandel noch aufhalten könnte. Die meisten Leute würden einfach weitermachen, als gäbe es die zunehmende Hitze, die Stürme und die Überschwemmungen gar nicht. Und man wisse nicht mehr, wie man das aufhalten solle.
Obendrein, sagt Prowe, habe man in NRW die Sozialwissenschaften durch das Fach Wirtschaft ersetzt, und zwischen den Klassen 5 und 10 bekämen die jungen Leute mehr Unterricht in Kunst und Musik als in Politik und Geschichte, kritisiert die Sozialdemokratin. Dabei habe man eigentlich ein gutes Fundament mit dem Erlass zu den Schülervertretungen. Damit könnten die Kinder und Jugendlichen auch ihre Schulen mitgestalten. Wenn man sie ließe.
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