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Experimente in Siegen: Mensch und Roboter – gute Kollegen?

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Applikationsingenieurin Tanja Prad arbeitet in der Firma KUKA Deutschland GmbH am Standort Siegen mit intelligenten Systemen.

Applikationsingenieurin Tanja Prad arbeitet in der Firma KUKA Deutschland GmbH am Standort Siegen mit intelligenten Systemen.

Foto: Uni

Siegen.  Ein Roboter trinkt keinen Kaffee und kein Feierabendbier – kann er trotzdem guter Kollege sein? Es kommt drauf an, sagt Dr. Shadan Sadeghian.

Wie verändert sich die Arbeitswelt, wenn intelligente Systeme die Rolle von Mitarbeitenden einnehmen? Wie sollten sie gestaltet sein, damit Teammitglieder die Arbeit mit ihnen als sinnhaft erleben? Und an welchen Stellen kommt es typischerweise zu Konflikten? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Junior-Professorin Dr. Shadan Sadeghian an der Universität Siegen.

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Ein Roboterarm zuckt kurz beim Arbeitsbeginn, aber er sagt nicht „Guten Morgen“. Ein Chatbot löst ein Problem mit einer Kundin, aber er trinkt keinen Kaffee in der Pause. Und eine Software liest automatisch eine Überweisung ein, kann aber mit einem Feierabendbier gar nichts anfangen. Andere Systeme können frühzeitig erkennen, wenn wichtige Teile für die Produktion fehlen, und sie rechtzeitig ordern. Sie funktionieren präzise und schnell, wissen manchmal mehr und sehen Zusammenhänge besser als die menschlichen Kolleginnen und Kollegen. Die Zusammenarbeit ist automatisiert – aber nicht automatisch auch frei von Konflikten.

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Was wird anders?

Es kann viele Vorteile haben, wenn automatisierte Systeme die Arbeit begleiten oder Aufgaben übernehmen. „Die Automatisierung hat etwa dazu geführt, dass Menschen viele Routine-Arbeiten nicht mehr machen müssen“, sagt Sadeghian. Sie ist als Junior-Professorin für Autonome Interaktive Systeme an der Fakultät III der Siegener Uni am Projekt „Sensing and Sensibility“ beteiligt, in dem sie zur Arbeitszufriedenheit forscht.

Am Fließband zum Beispiel erledigen Maschinen seit Jahrzehnten Arbeiten, die sich wiederholen und die eintönig sind. Inzwischen allerdings gehen die Aufgaben, die Maschinen erledigen können, weit über Routinetätigkeiten hinaus: Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) können Informationen verarbeiten, daraus Muster ableiten und eigenständig handeln – also beispielsweise Bestellungen tätigen.

In vielen Bereichen könnte es über kurz oder lang darauf hinauslaufen, dass Menschen nicht nur mit menschlichen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten, sondern auch mit Robotern, heißt es in der Pressemitteilung der Uni. Dadurch verändere sich die Rolle der Menschen bei der Arbeit – und damit womöglich auch, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit sind und als wie sinnhaft sie diese empfinden. Die Wissenschaftlerin höre oft die Sorge, dass KI Menschen die Jobs wegnehmen könnte. „Ich glaube aber, dass es eher darum gehen wird, inwiefern sich Aufgaben durch den Einsatz von KI verändern.“

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Zwei Experimente

Sie hat solche Effekte gemeinsam mit Professor Dr. Marc Hassenzahl von der Universität Siegen in einem Experiment untersucht. Dafür wurden in einer Online-Umfrage insgesamt 104 Personen befragt, die mit Wissen arbeiten. „Viele Arbeitende erleben die Zusammenarbeit mit Menschen als motivierender und sinnhafter als mit einer Künstlichen Intelligenz (KI)“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das kann schwierig sein, weil solche Technologien das Potenzial haben, die Arbeit grundlegend zu verändern.“

Konkret ging es bei dem Experiment darum, ein Meeting zu organisieren und dafür sowohl Zeit und Raum zu organisieren als auch die Inhalte für das Treffen vorzubereiten. Dabei übernahm bei einem Teil der Befragten ein KI-gesteuertes System einen Teil der Aufgaben. Anschließend sollten die Befragten unter anderem beurteilen, welche Aufgaben sie als bedeutend und sinnhaft empfanden und wie zufrieden sie mit dem Ergebnis des vorgestellten Meetings waren. „Dabei hat sich gezeigt, dass es der Mehrzahl der Befragten wichtig war, die Arbeiten zu übernehmen, die sie als bedeutend und sinnhaft empfanden“, sagt die Forscherin.

Was macht stolz?

In einem zweiten Online-Experiment untersuchte Sadeghian die Aufgabenverteilung zwischen Menschen und KI im Hinblick auf die Arbeitszufriedenheit bei der Schichtplanung für die Pflegenden in einem Krankenhaus. „Es gibt den Trend, KI als Instrument zu behandeln, das wir beaufsichtigen und dessen Ergebnisse wir kontrollieren“, sagt sie. „Die Untersuchung zeigt aber, dass Menschen ihre Arbeit als sinnvoller empfinden, wenn eine KI ihr Teamkollege ist.“ In dem Fall fühlen sie sich stärker für die Ergebnisse verantwortlich und sind zufriedener.

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In den meisten Fällen werden Aufgaben in Unternehmen aber nicht nach diesen Kriterien verteilt, sondern intelligente und automatisierte Systeme werden Sadeghian zufolge eingeführt, um die Leistung und damit den Gewinn eines Unternehmens zu steigern. Mitarbeitende hätten oft kein Mitspracherecht und müssten sich mit der Situation arrangieren. Für ein Unternehmen zähle das Ergebnis der Arbeit. „Allerdings spielt es durchaus eine Rolle für den Erfolg, wie zufrieden Menschen mit ihrer Arbeit sind“, sagt Sadeghian. Wer zufrieden sei und die Arbeit als sinnhaft empfinde, wechsle etwa seltener den Arbeitsplatz, sei motivierter und bringe sich stärker ein. Auch aus diesem Grund beschäftigt sich die Wissenschaftlerin mit der Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen menschlichen Mitarbeitenden und KI-Systemen gestaltet sein sollte, damit Menschen sie weiterhin als befriedigend und als sinnhaft empfinden.

Ob jemand zufrieden mit der Arbeit ist oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. „Dazu gehören Erfolgserlebnisse ebenso wie ein gutes Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen oder auch, stolz auf die eigenen Leistungen und Fähigkeiten zu sein“, sagt Sadeghian. In der Studie hat sich etwa auch gezeigt, dass es eine Rolle spielt, ob jemand das Gefühl hat, die Kontrolle über die Arbeit und die Ergebnisse zu haben. „Wir wissen allerdings nicht, was es bedeutet, stolz auf das gemeinsame Ergebnis in einem Mensch-KI-Team zu sein, wenn die KI nicht stolz sein kann.“

KI für ungeliebte Arbeiten

Aktuell eröffnen sich immer mehr potenzielle Einsatzfelder für KI-Systeme, berichtet die Uni: Sie können nicht nur sinnvoll sein, um etwa Schichtpläne in Krankenhäusern oder Fabriken zu erstellen. „Sie werden voraussichtlich auch in anderen Bereichen eine immer größere Rolle spielen, etwa bei Journalistinnen und Journalisten“, sagt Sadeghian. Menschen werden voraussichtlich weiter einen wichtigen Part dabei spielen, Ergebnisse zu erzeugen. Doch auch dadurch könnten die Aufgaben sich erheblich ändern: Wer sonst zum Beispiel journalistische Texte geschrieben hat, könnte in Zukunft Texte auf ihre Richtigkeit kontrollieren, die eine KI erstellt hat. „Die entscheidende Frage ist: Wenn Aufgaben sich auf diese Weise ändern – sind Menschen dann noch zufrieden mit ihrer Arbeit?“, fragt Sadeghian. Problematisch kann es etwa werden, wenn eine KI den Teil der Arbeit übernimmt, den jemand selbst am meisten gemocht hat, weil sie dafür besser gerüstet zu sein scheint.

„Wichtig ist immer, wer welchen Teil der Aufgaben übernimmt, damit auch Menschen das Gefühl haben, auf sinnvolle Weise zum Ergebnis beigetragen zu haben“, sagt die Forscherin. Dabei muss die Arbeit mit einer KI nicht zwingend zu Problemen führen: Wird sie sinnvoll eingesetzt, kann sie sogar die Arbeitszufriedenheit erhöhen.

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