Bad Berleburg. „Neues Capitol“ feiert Premiere als Eventgastronomie: Bestseller-Autor macht altes Kino zum „Traumpalast“ und hat eine Bindung zu Bad Berleburg.
Monika Schröder von der Berleburger Buchhandlung ist erfahren im Organisieren von Lesungen. Aber am frühen Montagabend war sie doch nervös. Schröder machte sich Gedanken darüber, ob bei dieser doppelten Premiere in Bad Berleburg auch alles klappen würde.
Die Vorzeichen waren gut. Mit dem aktuell sehr angesagten Bestsellerautor Peter Prange kommt nicht nur ein Star der Historienromane nach Bad Berleburg, sondern auch ein Mann, der sogar eine echte Beziehung zu Wittgenstein hat. Auch wenn er der in Tübingen lebende Prange noch nie im „Ländchen“ gelesen hat, wird er hier auf eine große Fangemeinde treffen.
Und mit dem Neuen Capitol hat die Stadt eine neue „Eventgastronomie“. Das Restaurant, das künftig auch Hotel und Kino miteinander verbinden wird, wartet noch auf die Eröffnung von Gästezimmern und Veranstaltungssaal. Für das Capitol und die Gastronomenfamilie Pontzen ist diese Lesung also auch eine Premiere als Ort für Kultur und Kleinkunst.
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Eigentlich müsste sich Monika Schröder an diesem Abend keine Sorgen machen: „Wir sind mehr als ausverkauft“, sagt die Veranstalterin im Gespräch mit dieser Zeitung. 80 statt der maximalen 70 Tickets sind verkauft. Die Atmosphäre auf der Empore ist „kuschelig“, sagt sie. So dicht stehen die Stühle hier sonst nicht. Monika Schröder und die Pontzen haben sich vorher extra noch einmal erkundigt, wie viele Menschen hier auf die Galerie dürfen. Und auch in der Küche ist alles gerichtet. Denn diese Lesung geht mit kleinen Leckereien einher. Canapés und kalte Getränke werden gereicht.
Bleibt nur eines. Wo ist der Autor. Am späten Nachmittag hatte sie noch nichts von Peter Prange gehört. Im Hotel hatte er noch nicht eingecheckt. Doch ein Anruf auf dem Handy bringt Klarheit: „Ich bin sechs Kilometer von Bad Berleburg“, sagt er und sorgt für Entspannung bei der Organisatorin.
Traumpalast erzählt die Gründungsgeschichte der Ufa
Prange kommt mit seinem neues Werk, dem zweiteiligen Roman „Traumpalast“. Er hat die weitestgehend unbekannte, reale Geschichte hinter der Gründung der berühmten Filmgesellschaft Ufa in einen Liebesroman gekleidet, der zugleich auch die wilden 1920er Jahre zwischen dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und der Nazizeit in verschiedenen Erzählfäden zusammenführt. Das klingt nach schwerer Kost. Ist es aber nicht. Prange liest nicht nur, er erklärt auch, die spannenden Hintergründe, die die Leinwand bilden, vor denen er fiktive und reale Charaktere auftreten lässt.
Eine Frage trieb ihn dabei an: Wie konnte das Volk von Goethe, Schiller, Kant in die Barbarei des Naziregimes verfallen“. Schon Kästner hatte gesagt, dass Hitler nicht mehr 1933, sondern bereits in den 1920er Jahren hätte verhindert werden müssen. Deswegen befasste sich Prange intensiv mit dieser Zeit zwischen der größtmöglichen Freiheit mit dem Neuanfang nach dem Kaiserreich und der größtmöglichen Unfreiheit in der Diktatur. Warum es so enden musste, ist Prange klar: Die Menschen konnten mit dieser Freiheit nicht umgehen. Und Hyperinflation, latenter Antisemitismus und Weltwirtschaftskrise vermischten sich zu einem Klima, in dem Angst den Ruf nach größtmöglicher Sicherheit laut werden ließ. Deshalb hätten die Deutschen in demokratischen Wahlen einen Verbrecher gewählt und waren aus Angst vor der Zukunft bereit ihre Freiheit gegen Sicherheit und einfache Lösungen auch komplexe Fragen einzutauschen. Alle diese schwere Kost kommt an diesem Sommerabend aber leicht daher.
Pranges verwandtschaftliche Beziehung zu Bad Berleburg
Und dann erfährt das Publikum auch, wie Peter Prange nach Bad Berleburg kam. Die Schlüsselfigur dieser Geschichte ist der Zahnarzt Martin Knebel. „Vor 30 Jahren hat dieser Mann mir die Angst vor Zahnarzt genommen“, berichtet Monika Schröder und viele Jahre später hatte Knebel sie gefragt: „Warum lädst du nicht mal den Prange ein, das ist Verwandtschaft von mir?“ Gesagt getan. Und so kam der in Altena aufgewachsene Romanautor auf dem Weg zum Altenaer Schützenfest auf eine Stippvisite mit Lesung in Bad Berleburg vorbei und fühlte sich „im Ländchen“ wie im „Schoße der Verwandtschaft“.
Zurück im „Sauerland“ - Wittgenstein zählt wegen des Rothaargebirges für den Wahltübinger inzwischen dazu – stellt er mit Blick auf die Canapés schmunzelnd einen „enormen Entwicklungsschub“ fest: „Als ich hier weg bin, nannte man das noch Bütterken“.
Die Bütterken gingen weg wie warme Semmeln, und weil so viele ein Tellerchen bestellt hatten, musste Prange sogar mit dem Start in die Lesung warten: „Kunst geht nach Brot“, kommentierte er das launig. Und dass er mit seiner Geschichte vom Traumpalast die Lesungs-Premiere im Neuen Capitol bestreitet, freute Prange sehr: „Das passt ja wunderbar“. Das fanden nicht nur Prange und Monika Schröder, sondern auch die Gäste.
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