Hagen. Wenn Grüne und der ADAC einer Meinung sind, lässt das aufhorchen. Die Aufforderung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), „schlafende Baustellen“ demnächst im Netz oder per Hotline zu melden, bezeichnen Automobilclub und Partei unisono als Blödsinn.
Josef Thiele ist Bauunternehmer aus Brilon und Geschäftsführer der „Heckmann Bau GmbH“. Den Aufruf des Ministers an die Bürger, alle Baustellen, auf denen bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht gearbeitet wird, zu melden, findet er absurd. „Wer soll das überwachen“, fragt der Fachmann. „Das ist praxisfern.“ An Baustellen könne oft aus technischen Gründen nicht immer übergangslos gearbeitet werden. „Manche Materialien brauchen Ruhephasen, bevor der nächste Schritt getan werden kann.“ Kein Autofahrer könne einschätzen, welche Ursache zu einem Stillstand geführt habe.
„Populismus von seiner eher negativen Seite“ - so bezeichnet Peter Meintz vom ADAC Westfalen den Vorstoß des Ministers. Kein Laie könne beurteilen, ob die Baustelle fahrlässig liegen geblieben sei. „So manches Mal stecken die Tücken der Technik dahinter.“
In NRW, so Meintz, gebe es bereits sehr wirksame Verträge nach dem „Bonus-Malus-System“, das die Bauunternehmen in die Pflicht nehme, zeitsparend zu arbeiten. „Wer länger braucht, als vertraglich zugesichert, bekommt weniger Bonuspunkte und somit weniger Geld.“
Viel Wind um Nichts
Beim Straßenbau könne vieles schief gehen, berichtet Meintz. „Da muss man immer mit Verzögerungen rechnen.“ In Südwestfalen zum Beispiel seien viele Spezialfirmen tätig, die die Autobahnbrücken sanieren. Das Wort „Spezial“ weise darauf hin, dass es von diesen Firmen nicht viele gibt. „Fällt eine aus, entstehen sofort Engpässe.“
Ramsauer mache es sich zu einfach, lautet das Fazit von Meintz. „Straßenbau ist nun mal komplexer als gedacht. Viel komplexer als der Bau eines Einfamilienhauses.“ Wie Ramsauer Verletzungen von Bauverträgen nachweisen will, ist Meintz ein Rätsel. Angesichts des nahenden CSU-Parteitages in Bayern vermutet er „viel Wind um Nichts“.
Auch Bernhard Meier von Strassen.nrw ist wenig begeistert von der Tatkraft des Verkehrsministers. „In letzter Konsequenz bedeutet das mehr Bürokratie und das erfordert mehr Steuergelder. Und darauf können wir verzichten.“ Strassen.nrw, so Meier, habe ein eigenes, gut funktionierendes Beschwerde-Management. Jeder Autofahrer könne unter Kontakt@strassen.nrw.de seinem Unmut Luft machen. „Und das tut er auch, meistens allerdings, wenn irgendwo wieder eine neue Baustelle seinen Weg kreuzt.“ Bei jeder neuen Autobahnbaustelle erreichten strassen.nrw 5 bis 10 E-Mails.
Keine Momentaufnahme
Ingo Strater vom Bundesverkehrsministerium kann die ganze Aufregung nicht verstehen. „Es geht nicht um eine Momentaufnahme durch einen einzelnen Autofahrer. Erst wenn sich die Hinweise mehren, werden wir aktiv.“ Die Möglichkeit „schlafende Baustellen“ zu melden, sei nur ein weiteres Instrument, um das Baustellenmanagement effizienter zu gestalten und Bauzeiten zu verkürzen. „All das ist im Sinne des Autofahrers.“
Der Bundesverkehrsminister hatte gestern über die Bild-Zeitung publik gemacht, dass Bürger künftig alle „schlafenden Baustellen“ melden können. Unter der Adresse bmvbs.de/baustellenmelder stehe ab sofort ein Kontaktformular im Internet zur Verfügung. Auch über die Nummer des Bürgertelefons 030-18300-3060 könnten Informationen hinterlegt werden.
Ramsauer bezieht sich bei seinem Vorhaben auf einen Leitfaden zum Baustellenmanagement, der mit den Ländern abgestimmt worden sei. Darin stehe: „Bei Tageslicht muss gearbeitet werden, auch am Wochenende.“ Der Bild- Zeitung teilte Ramsauer auch mit, warum er auf die Mithilfe der Bürger setzt: „Vielerorts wird der Leitfaden nicht konsequent genug umgesetzt.“
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