Unfälle

„Nichts ist gefährlicher als ein Motorrad”

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Hagen. Strahlend blauer Himmel, kurvenreiche Strecke, jede Menge Tote: Auch in Südwestfalen haben in den vergangenen Tagen wieder Motorradfahrer ihr Leben gelassen. Autofahrer sprechen schnell von Selbstmordkommandos mit 200 PS, Biker beharren darauf, dass sie getötet werden.

Verkehrspsychologen sind sich einig: Tempoverstöße sind der Hauptgrund für tödliche Unfälle. Sie machen keinen Unterschied zwischen Fahrern von Vehikeln mit vier oder zwei Rädern.

Im Rausch der Geschwindigkeit

„Nichts ist gefährlicher als ein Motorrad”, sagen Experten der Unfallforschung der Versicherten (UDV). Untermauert wird ihre Aussage durch eine Studie. Demzufolge tragen zwei Drittel der Motorradfahrer eine Mitschuld, wenn es kracht. Das Risiko, auf einem Motorrad getötet zu werden, sei 14-mal höher als in einem Auto.

„Biker lieben den Thrill”, bestätigt Klaus Brandenstein. Der UDV-Experte kritisiert vor allem die Opfermentalität der Fahrer von sportlichen Maschinen. Diese finde sogar in ihrer Sprache Niederschlag: „Wenn ein Motorrad in der Kurve durch Steine außer Kontrolle gerät, wird es in der Regel als Schicksalsschlag interpretiert.” Von überhöhter Geschwindigkeit sei nur selten die Rede. Mehr als die Hälfte der Außerortsunfälle seien selbstverschuldet.

Besonders ältere Freizeitfahrer gefährdet

Brandenstein fordert ein radikales Umdenken beim Umgang mit Rasern auf zwei Rädern. „Ein Fahrsicherheitstraining allein reicht nicht aus.” Vielmehr müsste man die Köpfe von betroffenen Bikern erreichen. Vor allem ältere Freizeitfahrer ab 35 Jahren seien gefährdet.

„Wer nur einige Kilometer im Jahr fährt, verliert schnell das Gefühl für das Bike.” Es sei genau diese Generation, die sich die 200 PS-Maschinen leisten kann. In Kombination mit geringem Gewicht seien 200 PS kaum noch zu beherrschen. Deshalb fordere die UDV die Industrie auf, die Selbstbeschränkung von 100 PS wieder zu beleben.

Bei gutem Wetter schnell unvorsichtig

Diplom-Psychologe Hartmut Kerwien, der ein Verkehrspsychologisches Institut in Herford betreibt, bricht eine Lanze für die Motorradfahrer. Die Persönlichkeitsstruktur der Temposünder unterscheide sich weder bei Pkw- noch bei Motorradfahrern. „Bei gutem Wetter geraten die Hormone schnell durcheinander, egal, ob man mit zwei oder vier Rädern unterwegs ist.” Wer Respekt vor seinem und dem Leben der anderen habe, der solle sich vor Fahrtantritt immer wieder das enorme Risiko vor Augen führen.

Statistik spricht von weniger tödlichen Motorradunfällen

Achim Kuschefski, Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit in Essen, ist von der UDV-Studie wenig begeistert. „Die Zahl der tödlichen Motorradunfälle ist um 18,8 Prozent zurückgegangen. 2008 starben 655 Motorradfahrer, 2007 waren es noch 807.” Das spiegele die Studie nicht wider. Sie basiere vielmehr auf falsch interpretierten Zahlen. Natürlich verzeihe das Auto eher Fehler als ein Motorrad. Es stehe aber eindeutig fest, dass 75 Prozent der Unfälle, bei denen Autofahrer mit Bikern kollidieren, „von Autofahrern verursacht werden”.

Laut Kuschefski könnten Motorrad-Airbags Leben retten. „Bisher gibt es sie nur für die Honda Gold Wing.” Crash-Tests des ADAC belegen ihre Wirksamkeit. Die Firma Dainese bietet Airbags in der Lederkombi und im Helm an. Rennfahrer haben es bereits getestet. Mit Erfolg.

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